Seite 164 - Das Gebet (2010)

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Kapitel 24: Das Vorbild Jesu im Beten
Jesu Menschsein machte das Beten zu einer Notwendigkeit
— Als Mensch fühlte Jesus das Bedürfnis, von seinem Vater gestärkt
zu werden. Er hatte auserwählte Gebetsstätten. Er liebte es, in der
Einsamkeit der Berge mit seinem Vater Gemeinschaft zu pflegen. In
diesen Zwiesprachen empfing seine heilige, menschliche Natur die
Kraft für die Pflichten und Anfechtungen des Tages. Unser Erlöser
identifizierte sich mit unseren Bedürfnissen und Schwachheiten,
insofern er ein demütig Bittender wurde, der von seinem Vater neue
Stärke erbat, und so belebt und erquickt wurde und gerüstet war für
alle Aufgaben und Versuchungen. Er ist in allem unser Vorbild.
Er ist unser Bruder in unseren Schwächen, besitzt aber nicht
dieselben Leidenschaften. Als der Sündlose schreckte sein Wesen
vor dem Bösen zurück. In einer sündigen Welt ertrug er Kämpfe und
Seelenqualen. Sein Menschsein ließ das Gebet zur Notwendigkeit
und zum Vorrecht werden. Nachdrücklich verlangte er nach göttli-
cher Hilfe und göttlichem Trost. Sein Vater war bereit, ihm — der
zum Wohl der Menschen die himmlischen Freuden verlassen und
seine Wohnung in einer lieblosen und undankbaren Welt gewählt
hatte — beides zu geben. Christus fand Trost und Freude in der
Gemeinschaft mit seinem Vater. Hier konnte er sein Herz von den
Sorgen erleichtern, die ihn quälten. Er war „ein Mann der Schmerzen
und mit Leiden vertraut“.
Jesaja 53,3 (EB)
.
Am Tage arbeitete er mit allem Eifer, um anderen Menschen
Gutes zu tun und sie vor dem Verderben zu bewahren. Er heilte die
Kranken, tröstete die Betrübten, brachte den Verzagten Frohsinn und
Hoffnung und rief Tote ins Leben zurück. Nachdem sein Tagewerk
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beendet war, kehrte er Abend für Abend dem städtischen Treiben
den Rücken und beugte seine Gestalt in einem abgelegenen Hain
in demütigem Gebet vor seinem Vater. Zuweilen ließ der Mond
seinen glänzenden Lichtschein auf die gebeugte Gestalt Jesu fallen,
bis schließlich Wolken und Finsternis alles Licht wieder vertrieben.
Während er in der Haltung eines Bittstellers verweilte, legten sich
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