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Kapitel 11: Der Protest der Fürsten
Eines der mächtigsten je für die Reformation abgelegten Be-
kenntnisse ist der von den christlichen Fürsten Deutschlands 1529
auf dem zweiten Reichstag zu Speyer erhobene Protest. Der Mut, die
Zuversicht und die Entschiedenheit dieser frommen Männer bahnten
kommenden Geschlechtern den Weg zu Glaubens- und Gewissens-
freiheit. Wegen dieses Protestes hießen die Anhänger des neuen
Glaubens fortan Protestanten; die Grundsätze ihres Protestes „sind
der wesentliche Inhalt des Protestantismus“
Ein dunkler und drohender Tag war für die Reformation angebro-
chen. Der Erlaß von Worms hatte Luther für vogelfrei erklärt und die
Verbreitung des evangelischen Glaubens untersagt; doch beließ man
es im Reich bei einer religiösen Duldung. Die göttliche Vorsehung
hatte die der Wahrheit widerstreitenden Mächte im Zaum gehalten.
Wohl war Karl V. entschlossen, die Reformation auszurotten; so oft
er aber die Hand zum Streich ausholte, zwangen ihn immer wieder
besondere Umstände, davon abzusehen. Mehrmals schien der unmit-
telbare Untergang aller Gegner Roms unausbleiblich; aber in diesen
kritischen Zeitpunkten bewahrte sie einmal das Erscheinen des tür-
kischen Heeres an der Ostgrenze vor Verfolgung, zum andern zogen
der König von Frankreich, ja gar der Papst, mißgünstig gestimmt
über die zunehmende Größe des Kaisers, gegen diesen in den Krieg.
Dadurch bot sich der Reformation inmitten der Streitigkeiten der
Völker Gelegenheit, sich innerlich zu festigen und auszubreiten.
Schließlich hatten die katholischen Fürsten ihre Zwistigkeiten
beigelegt, um gemeinsam gegen die Reformatoren vorgehen zu
können. Der Reichstag zu Speyer im Jahre 1526 hatte jedem der
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deutschen Länder völlige Freiheit in Religionssachen zugebilligt bis
zur Einberufung eines allgemeinen Konzils. Doch kaum waren die
Gefahren, unter denen dieses Übereinkommen vereinbart wurde, vor-
über, berief der Kaiser 1529 einen weiteren Reichstag nach Speyer,
um die Ketzerei zu vernichten. Die Fürsten sollten womöglich durch
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D‘Aubigné, „Geschichte der Reformation“, 13.Buch, 6.Abschnitt, 59
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