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Kapitel 16: Ein Zufluchtsort
Die englischen Reformatoren hatten, während sie den Lehren der
römisch-katholischen Kirche entsagten, viele ihrer Formen beibe-
halten. Wenn auch der Anspruch und das Glaubensbekenntnis Roms
verworfen war, wurden doch im Gottesdienst der anglikanischen Kir-
che viele seiner Sitten und Gebräuche geübt. Man behauptete, daß
diese Dinge keine Gewissensfragen seien, weil sie in der Heiligen
Schrift nicht geboten, deshalb auch nicht wesentlich, und weil sie
nicht verboten, auch eigentlich nicht unrecht seien. Ihre Befolgung
diene dazu, die Kluft, welche die protestantischen Kirchen von Rom
trenne, zu verringern, und man betonte, daß sie die Annahme des
protestantischen Glaubens durch die Anhänger Roms erleichtere.
Den bewahrenden und ausgleichenden Kräften schienen die-
se Gründe überzeugend zu sein. Es gab jedoch noch eine andere
Gruppe, die nicht so urteilte. Die Tatsache, daß diese Gebräuche
„dahin zielten, die Kluft zwischen Rom und der Reformation zu über-
brücken“
war in ihren Augen ein endgültiges Argument gegen ihre
Beibehaltung. Sie sahen sie als Zeichen der Sklaverei an, von der sie
befreit worden waren und zu der sie nicht zurückkehren wollten. Sie
waren der Ansicht, daß Gott die Verordnungen zu seiner Verehrung
in seinem Wort niedergelegt habe, und daß es den Menschen nicht
freistehe, etwas hinzuzufügen oder davon wegzunehmen. Der erste
Beginn des großen Abfalls bestand darin, daß man die Autorität Got-
tes durch die Kirche zu ergänzen suchte. Rom machte zur Pflicht,
was Gott nicht verboten hatte, und verbot schließlich das, was Gott
ausdrücklich befohlen hatte.
Viele wünschten ernstlich zu der Reinheit und Schlichtheit zu-
rückzukehren, welche die erste Gemeinde ausgezeichnet hatten. Vie-
le der in der anglikanischen Kirche eingeführten Gebräuche betrach-
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teten sie als Denkmäler des Götzendienstes, und sie konnten sich
nicht mit gutem Gewissen an ihrem Gottesdienst beteiligen. Die Kir-
che jedoch, vom Staat unterstützt, duldete keine Abweichung von
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Martyn, „Life and Time of Luther“, Bd. V, 22
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