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Der Abfall
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beanspruchten sie öffentlich die Macht, Gott, den Schöpfer aller
Dinge, „zu schaffen“. (Siehe Anm. 012) Von den Christen wurde
bei Todesstrafe verlangt, ihren Glauben an diese entsetzliche, him-
melschmähende Lehre zu bekennen. Scharenweise wurden solche,
die sich weigerten, den Flammen übergeben.
Im 13. Jahrhundert wurde jenes schrecklichste Mittel des Papst-
tums eingeführt: die Inquisition. (Siehe Anm. 013) Der Fürst der
Finsternis wirkte mit den Würdenträgern der päpstlichen Hierarchie
zusammen. In ihren geheimen Beratungen beherrschten Satan und
seine Engel die Gemüter von schlechten Menschen, während ein
Engel Gottes unsichtbar in ihrer Mitte stand und den furchtbaren
Bericht ihrer ungerechten, gottlosen Verordnungen aufnahm und die
Geschichte ihrer Taten niederschrieb, die zu scheußlich sind, um
menschlichen Augen unterbreitet zu werden. Die große Babylon war
„trunken von dem Blut der Heiligen“. Die verstümmelten Leiber von
Millionen Blutzeugen schrien zu Gott um Vergeltung gegen jene
abtrünnige Macht.
Das Papsttum war zum Zwingherrn der Welt geworden. Könige
und Kaiser beugten sich den Erlassen des römischen Bischofs. Das
Schicksal der Menschen schien für Zeit und Ewigkeit von ihm ab-
hängig zu sein. Jahrhundertelang waren die Lehren Roms weithin
und unbedingt angenommen, seine Zeremonien ehrfurchtsvoll voll-
zogen, seine Feste allgemein beachtet worden. Seine Geistlichkeit
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wurde geehrt und freigebig unterstützt. Nie hat die römische Kirche
größere Würde, Herrlichkeit oder Macht erlangt.
Die Glanzzeit des Papsttums war für die Welt eine Zeit tiefster
Finsternis. Die Heilige Schrift war nicht nur dem Volk, sondern auch
den Priestern nahezu unbekannt. Gleich den Pharisäern vor alters
haßten die päpstlichen Würdenträger das Licht, das ihre Sünden
aufdecken würde. Da sie Gottes Gesetz, das Richtmaß der Gerech-
tigkeit, beiseite getan hatten, übten sie schrankenlos ihre Gewalt
aus und verfielen moralischer Verderbtheit. Betrug, Habsucht und
Verschwendung waren an der Tagesordnung. Die Menschen schreck-
ten vor keiner Gewalttat zurück, wenn sie dadurch Reichtum oder
Ansehen gewinnen konnten. Die Paläste der Päpste und Prälaten
waren Schauplatz wüster Ausschweifungen. Manche der regieren-
den Päpste hatten sich derartig empörender Verbrechen schuldig
gemacht, daß weltliche Herrscher diese Würdenträger der Kirche