Seite 731 - Der gro

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Anmerkungen
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Die katholische Kirche hat sich mit dem Recht, zu entscheiden,
was Wahrheit ist und was nicht, absolut gesetzt; sie steht damit nicht
mehr unter dem Evangelium, sondern herrscht und regiert über das
Evangelium! Damit aber hat sich die katholische Kirche von den
Grundlagen des Evangeliums entfernt und ist selbst an die Stelle der
Wahrheit getreten.
Alle Äußerungen von katholischer Seite zeigen, daß die katholi-
sche Kirche in der Wahrheitsfrage nicht gewillt ist, ihren Ausschließ-
lichkeitsanpruch aufzugeben. Es ist römisch-katholische Auffassung,
daß die Wahrheit niemals mit der katholischen Kirche zusammen,
sondern nur in der katholischen Kirche zu verwirklichen sei.
Alle noch so freundlichen Gesten gegenüber den Protestanten,
die im Verlauf des Konzils und auch danach sichtbar wurden, kön-
nen nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich an dem Anspruch der
katholischen Kirche, allein die Kirche Christi zu sein, nichts geän-
dert hat; ihre Gesten sind bisher nur Gesten. Gewiß sind die Ver-
lautbarungen, die von katholischer Seite an protestantische Ohren
dringen, verbindlicher geworden. Gewiß ist das Wort „Ketzer“ aus
dem offiziellen Umgangston verschwunden. Dennoch kommt in den
„Angeboten“ der katholischen Kirche mit unmißverständlicher Klar-
heit zum Ausdruck, daß die katholische Kirche unter der Einheit
Rückkehr versteht.
In der Eröffnungsansprache Papst Paul VI. zur zweiten Sitzungs-
periode des Konzils sprach er u.a. von „anderen Christen“, und er
meinte diejenigen, „die wir, obwohl sie ‚in Christo‘ glauben, doch
nicht — o daß uns diese Freude nicht vergönnt ist! — unter diejeni-
gen zählen können, die mit uns durch das Band der vollkommenen
Einheit Christi verbunden sind. Diese Einheit, an der sie durch die
Kraft der Taufe Anteil haben müßten, kann ihnen nur von der katho-
lischen Kirche geboten werden und wird von ihnen ja auch durch die
Kraft und das Wesen des Einheitsgedankens eifrig erstrebt“. (Zitiert
nach Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts, 1963, Heft
6.)
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Auch die Reden, die Papst Paul VI. während seiner spektakulä-
ren Palästinareise gehalten hat, zielen in die gleiche Richtung. Durch
die wiederholt gebrauchten Wendungen vom „römischen Christus“
und von der „Einladung an die getrennten Brüder“ finden wir erneut
bestätigt, daß das „extra ecclesiam nulla salus“ (außerhalb der Kir-