Seite 516 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 58: „Lazarus, komm heraus!“
Auf der Grundlage von
Lukas 10,38-42
;
Johannes 11,1-44
.
Zu den treuesten Anhängern Jesu gehörte Lazarus aus Bethanien.
Seit der ersten Begegnung mit dem Heiland war sein Glaube an ihn
gestärkt worden; er liebte ihn innig, und er wußte sich von ihm
zutiefst wiedergeliebt. Diesem Lazarus galt Jesu größtes Wunder.
Der Heiland segnete alle, die seine Hilfe suchten; er liebte alle
Menschen. Doch manchen fühlte er sich durch liebevolle persönliche
Bindungen besonders zugetan. Durch ein festes Band der Zuneigung
war sein Herz mit der Familie in Bethanien verknüpft, und für einen
ihrer Angehörigen vollbrachte er seine wunderbarste Tat.
Im Heim des Lazarus hatte Jesus oft Ruhe gefunden; denn er
selbst besaß kein eigenes Zuhause. Er war auf die Gastfreundschaft
seiner Freunde und Jünger angewiesen. Oft, wenn er müde war oder
ihn nach menschlicher Gesellschaft verlangte, war er froh, in dieses
friedevolle Haus entrinnen zu können, hinweg von dem Argwohn
und der Mißgunst der Pharisäer. Hier wurde er aufrichtig willkom-
men geheißen, und er erfuhr reine, lautere Freundschaft. Hier konnte
er unbefangen und in völliger Freiheit sprechen, und er wußte, daß
seine Worte richtig verstanden und gewürdigt wurden.
Unser Heiland wußte ein stilles Heim und aufmerksame Zuhörer
zu schätzen. Er sehnte sich nach menschlichem Mitgefühl, nach Höf-
lichkeit und Zuneigung. Er war stets bereit, jenen, die himmlische
Unterweisungen erhielten, große Segnungen zu erweisen. Als die
Menge Christus aufs freie Feld folgte, zeigte er ihnen die Schönhei-
ten der Natur. Wie die Hand Gottes die Welt erhält, dafür suchte er
ihnen die Augen zu öffnen. Um in ihnen ein Gefühl der Wertschät-
zung für die Güte und das Wohlwollen Gottes hervorzurufen, lenkte
er die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf den sanft fallenden Tau,
auf die linden Regenschauer und den hellen Sonnenschein, die den
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Guten und Bösen gleichermaßen zuteil werden. Er wünschte, daß
sich die Menschen in stärkerem Maße der Anteilnahme bewußt wer-
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