Seite 155 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 17: Nikodemus
Auf der Grundlage von
Johannes 3,1-17
.
Nikodemus bekleidete ein hohes Amt im jüdischen Lande. Er
galt als hoch gebildet, besaß große Gaben und war ein angesehenes
Mitglied des hohen Rates. Auch er war durch Jesu Lehren angerührt
worden und fühlte sich trotz seiner bevorzugten Stellung zu dem
einfachen Nazarener hingezogen. Die Unterweisungen Jesu hatten
ihn außerordentlich beeindruckt, und er wollte mehr von diesen
wunderbaren Wahrheiten hören.
Die Tatsache, daß Christus seine Vollmacht in der Säuberung
des Tempel ausgeübt hatte, erweckte gezielten Haß auf Seiten der
Priester und Obersten. Sie fürchteten die Macht dieses Fremdlings.
Man durfte eine solche Kühnheit von einem unbekannten Galiläer
keinesfalls dulden. So waren sie darauf aus, seiner Tätigkeit ein
Ende zu setzen. Nicht alle aber stimmten diesem Vorhaben zu. Es
gab einzelne, die nicht einem Manne entgegentreten wollten, der so
offensichtlich durch Gottes Geist geleitet wurde. Sie erinnerten sich,
wie Propheten getötet worden waren, nur weil sie die Sünden der
Führer Israels getadelt hatten. Sie waren sich auch darüber im klaren,
daß die Unterdrückung der Juden durch eine heidnische Nation eine
Folge der Hartnäckigkeit war, mit der sie die göttlichen Ermahnun-
gen zurückgewiesen hatten. So befürchteten sie, daß die Priester
und Obersten wegen ihrer gegen Jesus gerichteten Anschläge in die
Fußtapfen ihrer Väter treten und neues Unheil über das ganze Volk
bringen würden. Auch Nikodemus teilte diese Bedenken. Als in
einer Ratssitzung des Sanhedriums besprochen wurde, welche Hal-
tung man Jesus gegenüber einnehmen wolle, mahnte er zu Vorsicht
und Mäßigung. Mit Nachdruck wies er darauf hin, daß es gefährlich
sei, seine Warnungen in den Wind zu schlagen, wenn dieser Jesus
tatsächlich mit göttlicher Autorität ausgestattet wäre. Die Priester
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wagten es nicht, diesen Rat zu mißachten, und so ergriffen sie eine
Zeitlang keine öffentlichen Maßnahmen gegen den Heiland.
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