Seite 188 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 21: Bethesda und der Hohe Rat
Auf der Grundlage von
Johannes 5
.
„Es ist aber zu Jerusalem bei dem Schaftor ein Teich, der heißt
auf hebräisch Bethesda und hat fünf Hallen, in welchen lagen viele
Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte, die warteten, wann sich das
Wasser bewegte.“
Johannes 5,2
.
Zu bestimmten Zeiten geriet das Wasser dieses Teiches in Be-
wegung, und es wurde allgemein angenommen, daß das auf das
Einwirken einer übernatürlichen Kraft zurückzuführen war und daß
derjenige, der nach dem Aufwallen des Wassers als erster in den
Teich stieg, von jeder Krankheit, an der er litt, geheilt würde. Hun-
derte von Leidenden suchten diesen Ort auf, und die Menge war
so groß, daß sie, sobald das Wasser sich bewegte, vorwärts stürmte
und dabei Männer, Frauen und Kinder, die schwächer waren als sie
selber, niedertrat. Viele konnten den Teich nicht erreichen. Andere,
die es geschafft hatten, starben an seinem Ufer. Man hatte Hallen
errichtet, damit die Kranken sich gegen die Hitze des Tages und
die Kälte der Nacht schützen konnten. Gar mancher verbrachte die
Nacht in diesen Räumen und schleppte sich Tag für Tag an den Rand
des Teiches in der vergeblichen Hoffnung auf Hilfe.
Erneut war Jesus in Jerusalem. Er ging allein, offensichtlich in
Gedanken und Gebet versunken, und kam zu dem Teich. Er sah,
wie die unglücklichen Leidenden auf das warteten, was sie für ihre
einzige Möglichkeit der Heilung hielten. Er sehnte sich danach, seine
heilende Kraft zu betätigen und jeden Leidenden gesund zu machen.
Doch es war Sabbat. Die Menge ging zum Tempelgottesdienst, und
er wußte, daß eine derartige Heilungstat die Voreingenommenheit
der Juden stark erregen und dadurch sein Wirken beeinträchtigen
würde.
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Doch der Heiland wurde Zeuge eines furchtbaren Elendes. Da
lag ein Mann, der seit achtunddreißig Jahren ein hilfloser Krüppel
war. Seine Krankheit galt zum großen Teil als Folge eigener Sünde
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