Seite 202 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
würden sie annehmen, weil er die von ihnen gehegten Meinungen
und Überlieferungen guthieße und damit ihrem Stolz schmeichelte.
Christi Lehre dagegen deckte sich nicht mit ihren Vorstellungen.
Sie war geistlich und forderte Selbsthingabe. Aus diesem Grunde
würden sie sie nicht annehmen. Sie kannten Gott nicht, und als er
durch Christus zu ihnen sprach, war seine Stimme für sie die eines
Fremden.
Wiederholt sich dies nicht in unserer Zeit? Verhärten nicht viele
führende Männer, sogar religiöse, ihre Herzen gegen den Heiligen
Geist und berauben sie sich nicht dadurch der Möglichkeit, die Stim-
me Gottes zu erkennen? Verwerfen sie nicht Gottes Wort um ihrer
eigenen Überlieferungen willen?
„Wenn ihr Mose glaubtet“, sprach Jesus, „so glaubtet ihr auch
mir; denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften
nicht glaubet, wie werdet ihr meinen Worten glauben?“
Johannes
5,46.47
. Christus hatte durch Mose zu den Israeliten geredet. Hätten
sie auf die göttliche Stimme geachtet, die durch ihren großen Führer
gesprochen hatte, dann würden sie sie in den Lehren Christi wieder-
erkannt haben. Hätten sie Mose geglaubt, so würden sie auch an den
geglaubt haben, von dem Mose schrieb.
Jesus wußte, daß die Priester und Rabbiner entschlossen waren,
ihm das Leben zu nehmen. Dennoch erklärte er ihnen in aller Deut-
lichkeit seine Einheit mit dem Vater und sein Verhältnis zur Welt.
Sie erkannten, daß ihr Widerstand gegen ihn unentschuldbar war.
Dennoch ließ ihr mörderischer Haß nicht nach. Furcht bemächtigte
sich ihrer, als sie Augenzeugen der überwältigenden Macht wurden,
die seinen Dienst begleitete. Dessenungeachtet widersetzten sie sich
seinem Ruf und lieferten sich der Finsternis aus.
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Es war ihnen in keiner Weise gelungen, das Ansehen Jesu zu
unter graben oder ihm die Achtung und Aufmerksamkeit des Vol-
kes zu entziehen, im Gegenteil, viele von ihnen waren von seinen
Worten überzeugt. Die Obersten selber hatten tiefe Gewissensbisse
gefühlt, als er ihnen mit Nachdruck ihre Schuld zum Bewußtsein
brachte. Doch das ließ sie nur noch heftiger reagieren. Sie waren
entschlossen, zu töten. Sie sandten deshalb Boten durch das ganze
Land, die das Volk vor Jesus warnen sollten, der ein Betrüger wäre.
Beobachter wurden ausgesandt, um ihn zu überwachen. Sie sollten