Seite 204 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 22: Gefangenschaft und Tod des Johannes
Auf der Grundlage von
Matthäus 11,1-11
;
Matthäus 4,1-11
;
Markus
6,17-28
;
Lukas 7,19-28
.
Johannes der Täufer war der erste, der das Reich Christi verkün-
digte, und auch der erste, der dafür leiden sollte. Aus der freien Luft
der Wüste und weg von der großen Menge, die an seinen Worten
hing, wurde er in den Kerker eines Burgverlieses eingeschlossen. Er
war Gefangener in der Festung des Herodes Antipas. In dem Gebiet
östlich des Jordan, das unter der Herrschaft des Antipas stand, hatte
Johannes einen großen Teil seines Wirkens zugebracht. Herodes,
der zügellose König, hatte selber der Predigt des Täufers gelauscht
und unter dessen Bußruf gezittert. „Herodes fürchtete den Johannes,
weil er wußte, daß er ein frommer und heiliger Mann war ... und
wenn er ihn gehört hatte, ward er sehr unruhig; und doch hörte er
ihn gerne.“
Markus 6,20
. Johannes war aufrichtig zu ihm und tadelte
ihn wegen seiner unerlaubten Verbindung mit Herodias, der Frau
seines Bruders. Eine Zeitlang unternahm Herodes einen schwachen
Versuch, die Ketten der Begierde, welche ihn banden, zu brechen;
doch Herodias verstrickte ihn um so fester in ihrem Netz und rächte
sich an dem Täufer dadurch, daß sie Herodes veranlaßte, ihn ins
Gefängnis zu werfen.
Das Leben des Johannes war voller emsiger Arbeit gewesen. Da-
her lasteten die Düsternis und die Untätigkeit seiner Gefangenschaft
schwer auf ihm. Als Woche um Woche verstrich, ohne eine Ände-
rung zu bringen, kamen Verzagtheit und Zweifel über ihn. Seine
Jünger ließen ihn nicht im Stich. Sie durften das Gefängnis betreten
und berichteten ihm von den Taten Jesu. Dabei erzählten sie ihm,
wie das Volk sich um Jesus scharte, und sie fragten sich, warum
dieser neue Lehrer, wenn er wirklich der Messias war, nichts zur
Freilassung des Johannes unternahm. Wie konnte er es zulassen,
daß sein treuer Vorläufer der Freiheit und vielleicht gar des Lebens
beraubt wird?
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