Seite 216 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
geworden. Deshalb war sein Zorn groß, und er beschloß, Christus
dadurch zu treffen, daß er Johannes schlug. Dem einen, den er nicht
zur Sünde verleiten konnte, wollte er Schaden zufügen.
Jesus hat nichts zur Befreiung seines Dieners unternommen. Er
wußte, daß Johannes die Prüfung bestehen würde. Gern wäre der
Heiland zu Johannes gegangen, um das Dunkel des Kerkers durch
seine Gegenwart zu erhellen. Doch er durfte sich nicht in die Hand
der Feinde begeben und dadurch seinen eigenen Auftrag gefährden.
Mit Freuden hätte er seinen treuen Diener befreit. Doch um der
Tausende willen, die in künftigen Jahren Gefängnis und Tod erleiden
mußten, sollte Johannes den Kelch des Leidens leeren. Wenn die
Nachfolger Jesu von Gott und Menschen anscheinend verlassen
in einsamen Zellen schmachten oder durch Schwert, Folter oder
Scheiterhaufen umkommen müßten, würden ihre Herzen bei dem
Gedanken gestärkt werden, daß Johannes dem Täufer, dessen Treue
Christus selber bezeugt hat, ein ähnliches Schicksal beschieden war.
Satan wurde gestattet, das irdische Leben des Boten Gottes ab-
zukürzen. Aber jenes Leben, welches „ist verborgen mit Christus
in Gott“ (
Kolosser 3,3
), konnte der Verderber nicht antasten. Er
frohlockte, Christus Leid zugefügt zu haben. Doch Johannes zu Fall
bringen, das vermochte er nicht. Der Tod hat ihn lediglich vor der
Macht weiterer Versuchung bewahrt. In diesem Streit hat Satan sein
wirkliches Wesen offenbart. Nun war das ganze Universum Zeuge
seiner Feindschaft gegen Gott und die Menschen geworden.
Obgleich nichts Übernatürliches geschah, um Johannes zu be-
freien, war er doch nicht verlassen. Stets waren himmlische Engel
bei ihm und öffneten ihm das Verständnis für die Weissagungen auf
Christus und für die kostbaren Verheißungen der Schrift. Sie boten
ihm Halt, wie sie auch dem Volk Gottes in den künftigen Jahrhun-
derten eine Stütze sein sollten. Johannes dem Täufer wie auch allen,
die nach ihm kamen, war zugesichert worden: „Siehe, ich bin bei
euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Matthäus 28,20
.
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Niemals führt Gott seine Kinder anders, als sie es sich selbst
wünschten, falls sie bereits am Anfang den Ausgang sehen und
die herrliche Frucht schauen könnten, die sie als Mitarbeiter Gottes
wirken dürfen. Weder Henoch, der verwandelt in den Himmel auf-
genommen wurde, noch Elia, der im Feuerwagen gen Himmel fuhr,
war größer oder wurde mehr geehrt als Johannes der Täufer, der