Seite 375 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 41: Die Entscheidung in Galiläa
Auf der Grundlage von
Johannes 6,22-71
.
Christus wußte, daß ein Wendepunkt in seinem Dasein erreicht
war, als er es den Menschen untersagte, ihn zum König auszurufen.
Die Volksmenge, die ihn heute auf den Thron heben wollte, hätte
sich am nächsten Tag von ihm abgewandt. Sobald ihr selbstsüchtiger
Ehrgeiz enttäuscht worden wäre, hätte sich ihre Liebe in Haß und
ihr Lob in Fluch verwandelt. Doch obwohl Christus dies wußte, un-
ternahm er nichts, um die Krise abzuwenden. Von Anfang an hatte
er seinen Nachfolgern keinerlei Hoffnung auf irdische Belohnun-
gen gemacht. Einem Mann, der sein Jünger werden wollte, sagte
er: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel
haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt
hinlege.“
Matthäus 8,20
. Hätten die Menschen zugleich Christus
und die Welt besitzen können, würden sie ihn in Scharen ihrer Treue
versichert haben. Eine solche Hilfe aber konnte er nicht annehmen.
Viele seiner Anhänger damals wurden von der Hoffnung auf ein
weltliches Königreich angezogen. Sie sollten eines besseren belehrt
werden. Die tiefe geistliche Bedeutung des von ihm vollbrachten
Speisungswunders war von ihnen nicht verstanden worden. Sie aber
wollte er ihnen darlegen. Diese neue Offenbarung würde jedoch eine
strengere Prüfung nach sich ziehen.
Überall sprach man über das Speisungswunder, und schon früh
am nächsten Morgen strömten die Leute nach Bethsaida, um Jesus
zu sehen. Sie kamen in großer Zahl über Land und auch über den
See. Die ihn am Abend zuvor verlassen hatten, kehrten zurück in
der Annahme, ihn dort noch anzutreffen; denn es war kein Boot
vorhanden, mit dem er zum anderen Seeufer hätte übersetzen können.
Ihr Suchen blieb jedoch ergebnislos. Deshalb wandten sich viele
wieder nach Kapernaum, um ihn dort zu suchen.
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Inzwischen befand er sich nach nur eintägiger Abwesenheit wie-
der in der Landschaft Genezareth. Gleich bei seiner Ankunft „er-
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