Seite 389 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 42: Überlieferungen
Auf der Grundlage von
Matthäus 15,1-20
;
Markus 7,1-23
.
Die Pharisäer und Schriftgelehrten, die Jesus auf dem Passah-
fest zu sehen hofften, hatten ihm eine Falle gestellt. Doch Christus
kannte ihre Absichten und blieb der Versammlung fern. Da er nicht
zu ihnen ging, „kamen zu Jesus Pharisäer und Schriftgelehrte“.
Mat-
thäus 15,1
. Kurze Zeit schien es, als ob die Galiläer Jesus als den
Messias annehmen würden und die Macht der Priesterherrschaft
in jener Gegend gebrochen werden sollte. Der Auftrag der Zwölf,
der die Ausdehnung des Werkes Christi anzeigte und die Jünger
unmittelbar mit den Rabbinern in Berührung brachte, erregte aufs
neue die Eifersucht der führenden Männer in Jerusalem. Ihre Spione,
die von ihnen zu Beginn des irdischen Dienstes Christi nach Kaper-
naum gesandt worden waren und die versucht hatten, den Heiland
wegen Übertretung des Sabbats anzuklagen, waren verwirrt wor-
den. Trotzdem zeigten sich die Rabbiner entschlossen, ihr Vorhaben
durchzuführen. Es wurden andere Abgeordnete ausgesandt, um Je-
su Tun und Treiben zu beobachten und irgendeine Beschuldigung
gegen ihn zu finden.
Abermals wurde die Nichtbeachtung der überlieferten Vorschrif-
ten, mit denen das Gesetz Gottes belastet worden war, Grund zur
Klage gegen ihn. Diese Satzungen waren angeblich dazu bestimmt,
die Beachtung des Gesetzes zu schützen, wurden jedoch über das
Gesetz selbst gestellt. Wenn sie aber mit den Zehn Geboten in Wider-
spruch gerieten, wurden die Vorschriften der Rabbiner vorgezogen.
Eine der strengsten Vorschriften war die zeremonielle Reinigung.
Die vor dem Essen zu beachtenden Formen zu vernachlässigen, galt
als schwere Sünde, die sowohl in dieser als auch in der zukünftigen
Welt bestraft werden würde. Man hielt es für eine Tugend, den
Übertreter solcher Verordnungen unschädlich zu machen.
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Die Reinigungsverordnungen waren sehr zahlreich. Ein ganzes
Menschenleben reichte kaum aus, um sie alle kennenzulernen. Das
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