Seite 405 - Das Leben Jesu (1973)

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Das wahre Zeichen
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von Großzügigkeit gegenüber dem Tempel bemäntelt wurde. Die
Schriftgelehrten und Pharisäer führten trügerische Grundsätze ein.
Sie verbargen so die wahre Absicht ihrer Lehren und nutzten je-
de Gelegenheit, sie den Herzen ihrer Zuhörer einzuflößen. Diese
Falschen Grundsätze wirkten, sobald sie angenommen wurden, wie
Sauerteig im Mehl und durchdrangen und verwandelten das ganze
Wesen. Diese trügerischen Lehren waren es, die es dem Volk so
schwer machten, den Worten Christi zu glauben.
Der gleiche Einfluß geht heute von jenen aus, die das Gesetz
Gottes derart zu erklären versuchen, daß es mit ihren Lebensgewohn-
heiten übereinstimmt. Diese Gruppe greift das Gesetz nicht offen
an, sondern vertritt spekulative Theorien, die dessen Grundsätze
aushöhlen. Ihre Erklärungen haben das Ziel, die Macht des Gesetzes
zu zerstören.
Die Heuchelei der Pharisäer war das Ergebnis ihrer Selbstsucht.
Die Selbstverherrlichung war das Ziel ihres Lebens. Das führte sie
dazu, die Schrift zu verfälschen und falsch anzuwenden, und machte
sie blind für die Sendung Christi. Sogar die Jünger Christi standen
in Gefahr, sich diesem geheimen Übel hinzugeben. Jene, die sich als
Nachfolger Jesu ausgaben, aber nicht alles aufgegeben hatten, um
wirklich seine Jünger zu sein, wurden in hohem Maße von dem Den-
ken der Pharisäer beeinflußt. Oft schwankten sie zwischen Glauben
und Unglauben, und sie erkannten nicht die Schätze der Weisheit,
die in Christus verborgen waren. Sogar die Jünger hatten in ihrem
Herzen nicht aufgegeben, für sich selbst Großes zu erstreben, obwohl
sie äußerlich alles um Jesu willen verlassen hatten. Diese Gesinnung
war es, die schließlich den Streit auslöste, wer unter ihnen der größte
sei. Sie war es auch, die zwischen ihnen und Christus stand, die
in ihnen so wenig Mitleid mit ihm bei seinem selbstlosen Opfer
hervorrief und die es ihnen so schwer machte, das Geheimnis der
Erlösung zu verstehen. Wie der Sauerteig, wenn er sein Werk vollen-
den darf, zu Verderbnis und Verfall führt, so zieht eine selbstsüchtige
Gesinnung die Verunreinigung und den Ruin der Seele nach sich.
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Wie weitverbreitet ist unter den Nachfolgern des Herrn — wie
damals schon — diese feine, trügerische Sünde! Wie oft sind unser
Dienst für Christus und unsere Gemeinschaft untereinander getrübt
durch den geheimen Wunsch nach Selbsterhöhung! Wie rasch stellt
sich das Verlangen nach Eigenlob und menschlichem Beifall ein!