Seite 428 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 48: Wer ist der Größte?
Auf der Grundlage von
Matthäus 17,22-27
;
Matthäus 18,1-20
;
Markus 9,30-50
;
Lukas 9,46-48
.
Als Jesus nach Kapernaum zurückkehrte, begab er sich nicht
zu den wohlbekannten Stätten, an denen er das Volk gelehrt hatte,
sondern suchte mit seinen Jüngern unauffällig das Haus auf, das
vorübergehend sein Heim werden sollte. Während seines restlichen
Aufenthaltes in Galiläa war es sein Ziel, lieber seine Jünger zu
unterweisen, statt unter der Menge zu wirken.
Auf seiner Reise durch Galiläa hatte Jesus wiederum versucht,
seine Jünger auf die Ereignisse, die ihm bevorstanden, seelisch vor-
zubereiten. Er erzählte ihnen, daß er nach Jerusalem gehen müsse,
um dort zu sterben und aufzuerstehen. Dann fügte er die seltsame
und ernste Ankündigung hinzu, daß er an seine Feinde verraten wer-
den sollte. Die Jünger verstanden seine Worte auch jetzt noch nicht.
Obwohl große Sorge sie überschattete, waren ihre Herzen mehr mit
Rangstreitigkeiten erfüllt. Sie zankten sich untereinander, wer im
künftigen Reich der Größte wäre. Diesen Streit aber suchten sie vor
Jesus zu verbergen. Deshalb gingen sie nicht wie gewöhnlich dicht
an seiner Seite, sondern schlenderten hinter ihm her, so daß er vor
ihnen her ging, als sie in Kapernaum eintrafen. Jesus durchschaute
ihre Gedanken und wollte ihnen Rat und Belehrung erteilen. Dazu
wartete er aber eine stille Stunde ab, in der ihre Herzen für seine
Worte aufgeschlossen waren.
Bald nachdem sie die Stadt erreicht hatten, kam der Steuerbe-
amte, der die Tempelabgaben sammelte, zu Petrus mit der Frage:
„Pflegt euer Meister nicht den Tempelgroschen zu geben?“
Matthä-
us 17,24
. Es handelte sich dabei nicht um eine bürgerliche Steuer,
sondern um einen Betrag, den jeder Jude jährlich für den Unterhalt
des Tempels zu zahlen hatte. Die Weigerung, diesen Beitrag zu ent-
richten, galt als Untreue dem Tempel gegenüber, und das war in den
Augen der Rabbiner eine besonders schwere Sünde. Die Einstellung
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