Seite 447 - Das Leben Jesu (1973)

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Auf dem Laubhüttenfest
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wohl er sie doch nicht gelernt hat?“
Johannes 7,15
. Bisher wurde
niemand als Religionslehrer anerkannt und geachtet, der nicht die
Schule der Rabbiner besucht hatte; darum waren auch Johannes der
Täufer und Jesus als Unwissende abgetan worden. Die diese beiden
jedoch hörten, waren erstaunt über deren Schriftkenntnis, die sie auf
keiner Schule erworben hatten. Menschen waren nicht ihre Lehrer
gewesen, sondern Gott im Himmel hatte sie beide gelehrt. Von ihm
hatten sie höchste Weisheit und alle Erkenntnis empfangen.
Die Wirkung seiner Rede im Hof des Tempels ließ seine Zuhörer
wie gebannt vor ihm stehen; selbst die eifrigsten Gegner Jesu sa-
hen sich außerstande, ihm Schaden zuzufügen. Für den Augenblick
hatten sie alles andere vergessen.
Täglich lehrte der Heiland nun das Volk, bis zum „letzten Tage
des Festes, der am herrlichsten war“.
Johannes 7,37 (Jubiläumsbi-
bel)
. Als am Morgen dieses Tages das Volk von den anstrengenden
Festlichkeiten ermüdet war, erhob Jesus seine Stimme, daß sie in
alle Vorhöfe drang, und rief:
„Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich
glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme leben-
digen Wassers fließen.“
Johannes 7,37.38
. Die innere Verfassung
der Juden verlieh dieser Aufforderung besonderen Nachdruck. Sie
waren eingespannt gewesen in des Festes Pracht und Glanz; Farbe
und Licht hatten ihre Augen geblendet, und ihre Ohren hatten in den
harmonischsten Klängen geschwelgt; für alles war gesorgt gewesen,
nur die Bedürfnisse des Geistes waren in all diesen Zeremonien zu
kurz gekommen, und den Durst der Seele nach dem Ewigen hatte
man nicht gestillt. Da erreichte sie die Einladung Jesu, zu ihm zu
kommen und aus dem Lebensbrunnen das Wasser zu trinken, das in
das ewige Leben quillt.
Die Priester hatten gerade an diesem Morgen jene Handlung vor-
genommen, die an das Schlagen des Felsens in der Wüste erinnerte.
Dieser Felsen war ein Sinnbild auf den, durch dessen Erlösungsop-
fer lebendige Ströme des Heils allen Durstigen zufließen würden.
Christi Worte waren das Wasser des Lebens. Im Beisein der großen
Menge ließ er sich schlagen, damit das Wasser des Lebens in die
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Welt fließen konnte. Satan beabsichtigte durch den Angriff auf Je-
sus, den Fürsten des Lebens zu überwinden; aber da floß aus dem
geschlagenen Felsen lebendiges Wasser. Als Jesus zu den Versam-