Seite 529 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 59: Die Anschläge der Priester
Auf der Grundlage von
Johannes 11,47-54
.
Bethanien lag so nahe bei Jerusalem, daß die Nachricht von
der Auferstehung des Lazarus bald die Hauptstadt erreichte. Durch
Kundschafter, die als Augenzeugen das Wunder Jesu miterlebt hat-
ten, wurden die jüdischen Obersten schnellstens von den Gescheh-
nissen unterrichtet. Man berief sofort den Hohen Rat ein, um sich
über die weiteren Schritte schlüssig zu werden. Christus hatte nun
völlig seine Macht über Tod und Grab bekundet. Mit diesem mäch-
tigen Wunder gab Gott den Menschen den krönenden Beweis, daß
er seinen Sohn zu ihrem Heil in die Welt gesandt hatte. Es war eine
Offenbarung göttlicher Macht, die genügte, jeden zu überzeugen,
der unter der Herrschaft der Vernunft und eines erleuchteten Gewis-
sens stand. Viele, die Augenzeugen der Auferstehung des Lazarus
gewesen waren, wurden zum Glauben an Jesus geführt. Doch der
Haß der Priester gegen ihn verstärkte sich. Alle geringeren Beweise
seiner Göttlichkeit hatten sie verworfen, und jetzt waren sie erzürnt
ob dieser neuen Wundertat. Der Tote war am hellen Tag und vor
einer großen Zeugenschar auferweckt worden, und solch ein Be-
weis konnte durch keinerlei Kunstgriff hinwegerklärt werden. Allein
deshalb wurde die Feindschaft der Priester immer unversöhnlicher.
Mehr denn je waren sie entschlossen, Christi Wirken zu unterbinden.
Die Sadduzäer hatten sich, obgleich Jesus keineswegs günstig
gewogen, nicht so voller Gehässigkeit gegen ihn gezeigt wie die
Pharisäer. Ihr Haß gegen ihn war nicht so bitter gewesen. Doch
jetzt fühlten sie sich ganz und gar beunruhigt; denn sie glaubten
ja nicht an die Auferstehung der Toten. Sie führten die sogenannte
„Wissenschaft“ an, die schlußfolgerte, daß es unmöglich wäre, einem
toten Körper neues Leben einzuhauchen. Doch mit wenigen Worten
hatte Christus ihre Lehrsätze widerlegt und ihnen bewiesen, daß
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sie weder die heiligen Schriften noch die Macht Gottes kannten.
Sie sahen keine Möglichkeit, den durch die Wundertat beim Volk
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