Seite 544 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 61: Zachäus
Auf der Grundlage von
Lukas 19,1-10
.
Auf dem Wege nach Jerusalem zog Jesus durch Jericho. Diese
Stadt lag inmitten einer tropischen Vegetation von üppiger Schönheit,
einige Kilometer vom Jordan entfernt am westlichen Rande des
Tales, das sich hier zu einer Ebene ausweitet. Mit ihren Palmen
und den von quellenden Brunnen bewässerten fruchtreichen Gärten
leuchtete die von Hügeln und Schluchten eingefaßte Ebene wie ein
Edelstein.
Viele große Reisegesellschaften nahmen den Weg zum Fest
über Jericho. Ihre Ankunft leitete stets eine hochgestimmte Zeit ein;
doch diesmal bewegte das Volk von Jericho ein tieferes Interesse.
Es hatte erfahren, daß sich der galiläische Rabbi, der kürzlich den
Lazarus auferweckt hatte, in der Menge befand. Obgleich Gerüchte
von Anschlägen der Priester zu sagen wußten, drängte es das Volk,
ihm zu huldigen.
Jericho gehörte zu den Städten, die von alters her den Priestern
vorbehalten waren, und jetzt noch wohnte eine große Anzahl von
ihnen in dieser Stadt. Ferner lebte hier eine Bevölkerung von au-
ßerordentlich unterschiedlichem Charakter. Jericho war ein großer
Handelsmittelpunkt, in dem sich neben Fremden aus verschiede-
nerlei Gegenden römische Beamte und Soldaten aufhielten. Zudem
machte das Eintreiben des Zolls die Stadt zur Heimat vieler Zöllner.
Ein Oberster der Zöllner, Zachäus, war Jude und wurde von sei-
nen Landsleuten verachtet. Sein Rang und seine Wohlhabenheit
waren der Lohn für einen Beruf, den diese verabscheuten und der
nur als eine andere Bezeichnung für Ungerechtigkeit und Wucher
angesehen wurde. Dennoch war der reiche Zöllner nicht gänzlich
der gefühllose Betrüger, der er zu sein schien. Unter dem Deckman-
tel von Eigennutz und Hochmut schlug ein Herz, das durchaus für
göttliche Einflüsse empfänglich war. Zachäus hatte von Jesus gehört.
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Überallhin war das Gerücht von dem Einen gedrungen, der sich
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