Seite 579 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 65: Der Tempel wird wieder gereinigt
Auf der Grundlage von
Matthäus 21,12-16.23-46
;
Markus
11,15-19.27-33
;
Markus 2,1-12
;
Lukas 19,45-48
;
Lukas 20,1-19
.
Zu Beginn seines Lehramtes waren von Christus alle jene aus
dem Tempel getrieben worden, die diesen durch ihre unheiligen Ge-
schäfte verunreinigt hatten. Sein strenges und machtvolles Auftreten
hatte damals die listigen Händler mit Furcht erfüllt. Nun kam er kurz
vor Beendigung seines Auftrages wieder in den Tempel und fand
ihn genauso entweiht wie vor Jahren. Die Situation war sogar noch
schlimmer als je zuvor. Der Vorhof des Tempels glich einem riesigen
Viehmarkt, auf dem das Gebrüll der Tiere und der helle Klang der
Münzen sich mit den zornigen Schreien der untereinander streiten-
den Händler vermischten; dazwischen hörte man die Stimmen der
amtierenden Priester. Sogar die Würdenträger des Tempeldienstes
beteiligten sich an den Kauf- und Wechselgeschäften und ließen sich
derartig von ihrer Gewinnsucht beherrschen, daß sie in den Augen
Gottes nicht besser waren als gemeine Diebe.
Wie wenig erkannten die Priester und Obersten den Ernst und
die Würde des Amtes, das sie zu erfüllen hatten! Zu jedem Passah-
und Laubhüttenfest wurden Tausende von Tieren geschlachtet; ihr
Blut wurde von den Priestern aufgefangen und auf den Altar gegos-
sen. Diese blutigen Opfer waren den Juden so geläufig geworden,
daß sie fast die Tatsache vergaßen, daß nur ihre Sünde all dieses
Blutvergießen notwendig machte. Sie beachteten nicht, daß darin
das Blut des teuren Gottessohnes versinnbildet wurde, das für das
Leben der Welt vergossen werden sollte, und daß die Menschen
durch das Darbringen von Opfern auf einen Erlöser, der am Kreuz
stürbe, hingewiesen werden sollten.
Jesu Blick fiel auf die unschuldigen Opfertiere; er sah, wie die
Juden diese großen Zusammenkünfte zu einem Schauspiel des Blut-
vergießens und der Grausamkeit gemacht hatten. Statt demütige
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Reue über ihre Sünde zu empfinden, hatten sie die Zahl der Op-
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