Seite 636 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
von der sie umgebenden untergehenden Welt betrachten, sondern
als Teil der großen menschlichen Familie. In den Augen Gottes sind
sie sowohl Brüder der Sünder als auch Brüder der Heiligen. Christi
Liebe umschließt alle gefallenen, irrenden und sündigen Menschen.
Deshalb betrachtet er jede Tat der Güte, jeden Akt der Barmherzig-
keit, jedes Aufhelfen einer gefallenen Seele so, als wäre es für ihn
getan.
Die Engel Gottes sind ausgesandt, denen zu dienen, die Erben
des Heils werden sollen. Noch wissen wir nicht, wer dazu gehört,
und noch ist nicht offenbar, wer überwinden und am Erbe der Heili-
gen im Licht teilhaben wird. Jedoch gehen himmlische Wesen über
die ganze Erde in dem Verlangen, die Traurigen zu trösten, die An-
gefochtenen zu schützen und die Herzen der Menschen für Christus
zu gewinnen. Niemand wird von ihnen übersehen, keiner achtlos
übergangen. Gott schaut nicht die Person an, er sorgt in gleicher
Weise für alle seine Geschöpfe.
Wenn du einem der Notleidenden und Betrübten Christi die Tür
öffnest, heißt du damit unsichtbare Engel willkommen. Du lädst dir
die Gesellschaft himmlischer Wesen ins Haus, und sie verbreiten eine
geheiligte Atmosphäre der Freude und des Friedens. Sie kommen
mit einem Lobpreis auf den Lippen, und im Himmel ertönt Antwort.
Jede Tat der Barmherzigkeit läßt dort Musik erklingen. Der Vater
auf seinem Thron sieht in den selbstlosen Dienern seinen größten
Schatz.
Die Menschen zur Linken Christi haben ihn nie in der Gestalt
der Armen und Leidenden wahrgenommen und waren sich keiner
Schuld bewußt. Satan hatte sie verblendet, so daß sie nicht erkannten,
was sie ihren Brüdern schuldeten. Sie dachten nur an sich selbst und
hatten für die Not anderer nichts übrig.
Den Reichen hat Gott Wohlstand gegeben in der Erwartung, daß
sie seine notleidenden Kinder unterstützen und trösten. Aber allzu-
oft zeigen sie kein Empfinden für die Bedürfnisse anderer. Ihren
armen Brüdern gegenüber fühlen sie sich erhaben. Sie versetzen
sich nicht in deren Lage und verstehen daher auch nichts von deren
Versuchungen und Kämpfen, so daß die Barmherzigkeit in ihnen
erstirbt. In ihren kostbaren Wohnungen und reich ausgestatteten Kir-
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chen schließen sich die Reichen von den Armen ab. Die Mittel, die
Gott ihnen zur Linderung der Not anvertraut hat, werden von ihnen