Seite 778 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
das nicht auch erfüllte? Sie bemühten sich zwar, diese Gedanken
zu verbannen, aber es ging nicht. Gleich ihrem Vater, dem Teufel,
glaubten sie und zitterten.
Nachdem nun die heftige Erregung gewichen war, drängte sich
Jesu Bild den Priestern immer stärker auf. Sie sahen ihn, wie er
gelassen und ohne zu klagen vor seinen Feinden stand und den Be-
schimpfungen und Mißhandlungen wortlos standhielt. Alle Phasen
des Verhörs und der Kreuzigung zogen in Gedanken noch einmal an
ihnen vorüber und brachten sie unwiderstehlich zu der Überzeugung,
daß Jesus der Sohn Gottes war. Sie fühlten, daß er zu irgendeiner
Zeit wieder vor ihnen stehen könne, nicht mehr als Angeklagter,
sondern als Ankläger, als Richter und nicht mehr als Gerichteter;
der Ermordete würde Gerechtigkeit durch die Vernichtung seiner
Mörder fordern.
Die Priester konnten an diesem Sabbat nur wenig Ruhe finden.
Obwohl sie sonst die Schwelle eines heidnischen Hauses nicht über-
schritten, weil sie fürchteten, sich dabei zu verunreinigen, kamen
sie doch zusammen, um sich über den Leichnam Jesu zu beraten.
Tod und Grab durften den nicht wieder hergeben, den sie gekreuzigt
hatten. „Des andern Tages ... kamen die Hohenpriester und Pharisä-
er sämtlich zu Pilatus und sprachen: Herr, wir haben bedacht, daß
dieser Verführer sprach, da er noch lebte: Ich will nach drei Tagen
auferstehen. Darum befiehl, daß man das Grab verwahre bis an den
dritten Tag, auf daß nicht seine Jünger kommen und stehlen ihn und
sagen zum Volk: Er ist auferstanden von den Toten; und werde der
letzte Betrug ärger als der erste. Pilatus sprach zu ihnen: Da habt ihr
die Hüter; gehet hin und verwahret es, so gut ihr könnt.“
Matthäus
27,62-65
.
Die Priester gaben alle Anweisungen zur Sicherung des Grabes.
Ein großer Stein war vor den Eingang gewälzt worden; über diesen
zogen sie Schnüre, befestigten die Enden an dem massiven Felsen
und versiegelten sie mit dem römischen Siegel. Der Stein konn-
te also nicht beseitigt werden, ohne das Siegel zu verletzen. Eine
Wache von hundert Soldaten wurde dann um das Grab aufgestellt,
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um es vor Unberufenen zu schützen. Die Priester taten alles ihnen
nur mögliche, damit Christi Leichnam dort bliebe, wo er hingelegt
worden war. Der Tote wurde so gesichert, als sollte er bis in alle
Ewigkeit im Grabe ruhen.