Seite 95 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 11: Die Taufe
Auf der Grundlage von
Matthäus 3,13-17
;
Markus 1,9-11
;
Lukas
3,21-22
.
Die Kunde von dem Wüstenprediger und seiner wunderbaren
Botschaft verbreitete sich über ganz Galiläa. Sie erreichte die Bauern
in den entlegensten Gebirgsorten, drang zu den Fischern am See
und fand in diesen einfachen, ernsten Herzen ehrlichen Widerhall.
Auch in Nazareth, auch in der Werkstatt Josephs wurde von ihr
gesprochen, und einer erkannte den Ruf. Seine Zeit war gekommen.
Er verließ seine tägliche Arbeit, nahm Abschied von seiner Mutter
und folgte seinen Landsleuten, die zum Jordan hinströmten.
Jesus und Johannes der Täufer waren verwandt und durch die
Umstände ihrer Geburt eng miteinander verbunden; dennoch kann-
ten sie sich nicht persönlich. Jesus hatte sich bisher in Nazareth
aufgehalten, Johannes dagegen in der Wüste von Judäa. Beide hat-
ten, obgleich in völlig verschiedener Umgebung, in größter Abge-
schlossenheit gelebt und keine Verbindung miteinander gehabt. Die
Vorsehung hatte es so bestimmt. Es sollte nicht der Verdacht aufkom-
men, beide hätten sich zusammengetan, um einander ihren Anspruch
zu stützen und sich gegenseitig zu bestätigen.
Johannes kannte die Ereignisse, die Christi Geburt begleitet hat-
ten. Er wußte auch von Jesu Besuch als Knabe in Jerusalem, von
dem Vorgang in der Schule der Rabbiner und von seinem sündlo-
sen Leben. Er glaubte, daß Jesus der Messias sei, wenn ihm auch
keine ausdrückliche Gewißheit darüber gegeben war. Die Tatsache,
daß Jesus so viele Jahre zurückgezogen gelebt hatte, ohne einen
Hinweis auf seine Bestimmung zu geben, hätte Zweifel hervorrufen
können, ob er der Verheißene sei. Der Täufer aber wartete voller
Glaubenszuversicht, daß Gott zu seiner Zeit alles klärte. Es war ihm
offenbart worden, daß der Messias begehren würde, von ihm getauft
zu werden, und daß hierbei ein Zeichen seines göttlichen Wesens
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