Seite 129 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Kapitel 13: Die Glaubensprüfung
Abraham hatte die Verheißung eines Sohnes hingenommen, ohne
Fragen zu stellen, aber vermochte nicht, auf die Erfüllung dieses
Gotteswortes zu seiner Zeit und auf seine Weise zu warten. Denn
der Herr verzögerte sie, um Abrahams Glauben an die Macht Gottes
auf die Probe zu stellen, und er bestand sie nicht. Sara hielt es für
unmöglich, daß ihr in ihrem hohen Alter noch ein Kind geschenkt
würde. Um aber die göttliche Absicht trotzdem zu verwirklichen,
schlug sie Abraham eine Zweitehe mit einer ihrer Mägde vor. Die
Vielweiberei war so weit verbreitet, daß man sie gar nicht mehr
als etwas Sündhaftes ansah. Aber sie blieb eine Übertretung des
göttlichen Gesetzes und wurde für die Heiligkeit und den Frieden des
Familienkreises verhängnisvoll. Abrahams Ehe mit Hagar hatte nicht
allein für sein Heim, sondern auch für die künftigen Geschlechter
böse Folgen.
Hagar fühlte sich durch ihre ehrenvolle Stellung als Abrahams
Frau überaus geschmeichelt. In der Erwartung, Mutter eines großen
Volkes zu werden, das von ihr abstammen sollte, wurde sie stolz und
behandelte ihre Herrin geringschätzig. Gegenseitige Eifersüchtelei-
en störten den Frieden des einst so glücklichen Heimes. Abraham
hörte notgedrungen auf beider Klagen und suchte vergeblich, die
Eintracht zu erhalten. Obwohl er Hagar nur auf Saras dringende
Bitte geheiratet hatte, warf sie ihm das jetzt als seine Schuld vor.
Sie wünschte die Vertreibung der Nebenbuhlerin. Aber das lehnte
Abraham ab. Hagar sollte die Mutter seines Sohnes der Verheißung
werden, wie er sehnsüchtig hoffte. Sie blieb trotzdem Saras Dienerin,
und er beließ es auch dabei, daß sie seiner Frau unterstand. Aber
Hagars hochmütiger Sinn konnte die unfreundliche Behandlung, die
sie mit ihrer Anmaßung herausgefordert hatte, nicht ertragen. „Als
nun Sarai sie demütigen wollte, floh sie von ihr.“
1.Mose 16,6
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Sie machte sich auf den Weg in die Wüste, und als sie allein und
verlassen an einer Quelle ausruhte, erschien ihr ein Engel des Herrn
in menschlicher Gestalt. Er redete sie an mit „Hagar, Sarais Magd“,
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