Seite 160 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Kapitel 16: Jakob und Esau
Jakob und Esau, Isaaks Zwillingssöhne, waren in Charakter und
Lebensart auffallend gegensätzlich. Diese Unähnlichkeit hatte der
Engel Gottes bereits vor ihrer Geburt vorausgesagt. Als Antwort auf
Rebekkas beunruhigtes Gebet tat er ihr kund, daß sie zwei Söhne
bekommen wurde. Zugleich eröffnete er deren künftiges Geschick:
Jeder sollte das Haupt eines mächtigen Volkes werden, aber einer
würde größer sein als der andere und der Jüngere den Vorrang haben.
Der heranwachsende Esau liebte die Annehmlichkeiten des Le-
bens und alle seine Neigungen galten nur der Gegenwart. Jede
Einschränkung ließ ihn aufbegehren. Ihm gefiel das ungebunde-
ne Umherstreifen, und so wählte er bald das Leben eines Jägers.
Gleichwohl war er des Vaters Liebling. Der Wagemut und die Kraft
seines ältesten Jungen beeindruckte den ruhigen, friedliebenden Hir-
ten immer wieder. Furchtlos durchstreifte Esau Berge und Wüsten,
und stets kehrte er heim mit Wildbret für den Vater und mit span-
nenden Berichten über sein abenteuerliches Leben. Der besinnliche,
fleißige und fürsorgliche Jakob dagegen lebte mit seinen Gedanken
mehr der Zukunft als der Gegenwart und war mit dem häuslichen
Leben zufrieden. Er pflegte die Herden und trieb Ackerbau. Seine
Ausdauer, Sparsamkeit und Fürsorge schätzte die Mutter an ihm.
Seine zurückhaltende, unablässige Aufmerksamkeit trug mehr zu
ihrem Glück bei als die gelegentlichen ungestümen Zärtlichkeiten
Esaus. Rebekka hatte Jakob lieber.
Die Verheißungen, die Abraham vormals erhalten hatte und die
seinem Sohne bestätigt worden waren, bedeuteten für Isaak und
Rebekka das große Ziel ihrer Wünsche und Hoffnungen. Auch Jakob
und Esau kannten sie gut. Die Eltern sprachen mit ihnen darüber, daß
das Erstgeburtsrecht hohe Bedeutung habe, denn es umfaßte ja nicht
nur die Erbschaft irdischen Reichtums, sondern auch geistlichen
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Vorrang. Wer es erhielt, sollte der Priester der Familie sein, und aus
der Reihe seiner Nachfahren würde der Erlöser der Welt kommen.
Andererseits ruhten auf dem Träger des Erbrechts ganz bestimmte
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