Seite 178 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Kapitel 18: Die Nacht des Ringens
Obwohl Jakob Haran auf göttliche Weisung verließ, zog er den
Weg, den er vor zwanzig Jahren als Flüchtling gewandert war, nicht
ohne Befürchtungen zurück. Seine Sünde, der Betrug am Vater,
stand ihm immer vor Augen. Er wußte, daß seine lange Verbannung
die Folge jener Schuld war. Tag und Nacht grübelte er über diesen
Dingen, und wegen der ständigen Gewissensbisse verlief die Reise
sehr traurig. Als in der Ferne die heimatlichen Berge auftauchten,
war das Herz des Patriarchen tief bewegt. Seine ganze Vergangenheit
stieg vor ihm auf. Aber mit der Erinnerung daran kam ihm auch der
tröstliche Gedanke an Gottes Gnade und die Verheißung seiner Hilfe
und Führung wieder ins Gedächtnis.
Je mehr sich seine Wanderung ihrem Ende zuneigte, desto stär-
ker wurden die sorgenvollen Ahnungen bei dem Gedanken an Esau.
Nach Jakobs Flucht konnte sich dieser als alleinigen Erben des väter-
lichen Besitzes ansehen. Die Nachricht von Jakobs Rückkehr mußte
ihn deshalb fürchten lassen, daß dieser käme, um sein Erbe zu for-
dern. Esau war imstande, seinem Bruder jetzt sehr zu schaden, wenn
es sein mußte, sogar mit Gewalt, und das nicht nur aus Rachsucht,
sondern um den ungestörten Besitz der Güter zu wahren, die er so
lange für sein Eigentum gehalten hatte.
Wieder gewährte der Herr Jakob ein Zeichen göttlichen Schutzes.
Als er südlich des Gebirges Gilead seinen Weg suchte, schien er von
zwei Scharen himmlischer Engel umgeben zu sein, die wie zum
Schutze vor und hinter ihnen mitzogen. Jakob erinnerte sich des
Gesichtes in der Nähe von Bethel, und sein bedrücktes Herz wurde
leichter in der Gewißheit, daß die göttlichen Boten, die ihm bei
seiner Flucht aus Kanaan Hoffnung und Mut gemacht hatten, nun
auch bei der Rückkehr seine Beschützer waren. Und er sagte: „Hier
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ist Gottes Heerlager, und nannte diese Stätte Mahanajim.“
1.Mose
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Dennoch meinte Jakob, auch selbst etwas zu seiner Sicherheit
tun zu müssen. Deshalb sandte er Boten mit einem Versöhnungsgruß
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