Seite 723 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Kapitel 73: Davids letzte Jahre
Absaloms Sturz brachte dem Reich nicht sofort Frieden. An die-
sem Aufstand hatten zu viele teilgenommen, als daß David ohne
Aufforderung der Stämme in seine Hauptstadt zurückkehren und die
Regierungsgewalt wieder übernehmen wollte. Aber in dem Durch-
einander nach Absaloms Niederlage konnte man zu keinem rechten
Entschluß kommen, den König zurückzurufen. Als es schließlich Ju-
da unternahm, erwachte die Eifersucht der übrigen Stämme, und die
Folge war eine Gegenrevolution. Doch sie wurde rasch unterdrückt
und der Friede in Israel wiederhergestellt.
Davids Geschichte ist eins der eindrucksvollsten Beispiele, wel-
che Gefahren Macht, Reichtum und weltliche Ehre mit sich bringen
können, alles Dinge, nach denen die meisten eifrig streben. Nur
wenige gingen durch Erlebnisse, die sie auf eine solche Erprobung
vorbereiteten. David lernte schon als junger Hirt, bescheiden zu
sein, beharrlich an der Arbeit zu bleiben und vor allem gut für seine
Herden zu sorgen. In der freien Natur der Bergeinsamkeit kam seine
Begabung für Dichtung und Musik so richtig zur Entfaltung und
lenkte seine Gedanken auf den Schöpfer. In der langen Lehrzeit
des Wüstenlebens wurde ihm manche Mutprobe abverlangt; sein
Gottesglaube wuchs. Das alles sah der Herr zur Vorbereitung auf
das Herrscheramt in Israel für ihn vor. David machte unschätzbare
Erfahrungen der Liebe Gottes, dessen Geist ihn in reichem Maße
segnete. Sauls Leben zeigte ihm die Wertlosigkeit rein menschli-
cher Klugheit. Trotzdem war er nicht so charakterfest, als daß er
in seinem Streben nach Erfolg und Ansehen nicht wiederholt vom
Versucher überwunden werden konnte.
Die Beziehungen zu den benachbarten Heiden weckte bald den
Wunsch, ihre völkischen Bräuche nachzuahmen und vor allem zu
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nationaler Größe zu kommen. Als das Volk Jahwes sollte Israel alle
anderen Völker überragen, aber mit wachsendem Stolz genügte ihm
diese Art Vorzugsstellung nicht mehr. Es war statt dessen auf einen
Rang unter den Völkern bedacht. Diese Gesinnung mußte es notwen-
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