Seite 394 - Das Wirken der Apostel (1976)

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Kapitel 49: Paulus schreibt seinen letzten Brief
Auf der Grundlage von
2.Timotheus
.
Vom Gerichtshof des Kaisers kehrte Paulus in seine Zelle zurück.
Er war sich darüber im klaren, daß er nur eine kurze Frist gewonnen
hatte. Seine Feinde würden nicht eher ruhen, bis sie seinen Tod
durchgesetzt hätten. Er wußte aber auch, daß zunächst die Wahrheit
einen Sieg davongetragen hatte. Daß er den gekreuzigten und auf-
erstandenen Heiland vor der aufmerksam zuhörenden Menge hatte
verkündigen dürfen, war ein Sieg. An jenem Tage war ein Werk
begonnen worden, das wachsen und erstarken sollte. Weder Nero
noch alle Feinde Christi würden es jemals hindern noch zerstören
können.
Während Paulus Tag für Tag in seiner dunklen Zelle saß und
wußte, daß ein Wort oder auch nur ein Wink Neros genügten, um
seinem Leben ein Ende zu machen, weilten seine Gedanken oft bei
Timotheus, und er beschloß, ihn zu sich zu rufen. Er hatte ihm die
Sorge für die Gemeinde Ephesus übertragen und ihn um ihretwillen
dort zurückgelassen, ehe er seine letzte Reise nach Rom antrat. Pau-
lus und Timotheus waren einander durch starke und tiefe Zuneigung
verbunden. Seit seiner Bekehrung hatte Timotheus die Arbeit und die
Leiden des Apostels geteilt. Die Freundschaft zwischen beiden war
immer stärker, tiefer und unverletzlicher geworden, bis Timotheus
dem im Dienst ergrauten Apostel alles geworden war, was ein Sohn
einem geliebten und verehrten Vater sein konnte. Darum war es auch
verständlich, daß sich Paulus in seiner Einsamkeit und Verlassenheit
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darnach sehnte, ihn zu sehen.
Aber selbst unter günstigsten Umständen mußten Monate ver-
gehen, ehe Timotheus von Kleinasien aus Rom erreichen konnte.
Paulus wußte, daß die Tage seines Lebens gezählt waren, und so
fürchtete er, Timotheus könnte zu spät eintreffen, um ihn noch zu
sehen. Da auf dem jungen Mann große Verantwortung lag, wollte
er ihm unbedingt einige wichtige Ratschläge und Unterweisungen
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