Seite 426 - Das Wirken der Apostel (1976)

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Kapitel 53: Johannes, der Lieblingsjünger
Johannes wird im Vergleich zu den anderen Aposteln als der
Jünger gekennzeichnet, „welchen Jesus liebhatte“.
Johannes 21,20
.
Er erfreute sich offensichtlich in besonderem Maße der Freundschaft
Jesu. Viele Zeichen des Vertrauens und der Liebe des Heilandes
hatte er empfangen. Er war einer von den dreien, die Zeugen der
Herrlichkeit Christi auf dem Verklärungsberg und des Kampfes in
Gethsemane sein durften. Und in den letzten Stunden seines Leidens
am Kreuz hatte der Herr gerade ihm die Sorge für seine Mutter
übertragen.
Die herzliche Zuneigung des Heilandes zu seinem geliebten Jün-
ger war mit der ganzen Kraft begeisterter Hingabe erwidert worden.
Johannes schloß sich so fest an Christus an, wie die Weinranke den
stützenden Pfosten umrankt. Trotz der Gefahren war er seinem Mei-
ster bis in die Gerichtshalle gefolgt und hatte selbst am Kreuz bei
ihm ausgehalten. Auf die Kunde, daß Christus auferstanden sei, war
er so schnell zum Grabe geeilt, daß er sogar den ungestümen Petrus
überholte.
Die vertrauende Liebe und die selbstlose Hingabe, die sich im
Leben und Charakter des Johannes zeigten, enthalten für die christ-
liche Gemeinde überaus wertvolle Lehren. Johannes hatte nicht von
Natur aus das liebenswürdige Wesen, das sich in seinem späteren
Leben zeigte. Anfangs wies er bedenkliche Charakterfehler auf. Er
war nicht nur stolz, geltungssüchtig und ehrgeizig, sondern auch
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ungestüm und empfindlich, wenn er beleidigt wurde. Er und sein
Bruder wurden deshalb „Donnerskinder“ genannt.
Der geliebte Jünger hatte ein aufbrausendes Temperament, war
rachsüchtig und kritisierte gerne. Doch der göttliche Lehrer entdeck-
te unter all diesen Fehlern ein brennendes, aufrichtiges und liebevol-
les Herz. Jesus tadelte die Selbstsucht des Johannes, zerbrach seinen
Ehrgeiz und stellte seinen Glauben auf die Probe. Gleichzeitig aber
offenbarte er ihm das, wonach sich sein Herz sehnte: die Schönheit
der Heiligkeit, die umwandelnde Macht der Liebe.
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