Seite 93 - Das Wirken der Apostel (1976)

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Kapitel 12: Vom Verfolger zum Jünger
Auf der Grundlage von
Apostelgeschichte 9,1-18
.
Aus dem Kreis der jüdischen Obersten, die über den Fortschritt
der Evangeliumsverkündigung tief beunruhigt waren, ragte vor allem
Saulus von Tarsus hervor. Obgleich römischer Bürger von Geburt,
war er doch jüdischer Abstammung und in Jerusalem von den be-
deutendsten Rabbinern ausgebildet worden. Er war „aus dem Volk
Israel, vom Stamme Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, nach dem
Gesetz ein Pharisäer, nach dem Eifer ein Verfolger der Gemeinde,
nach der Gerechtigkeit im Gesetz gewesen unsträflich“.
Philipper
3,5.6
. Die Rabbiner hielten ihn für einen vielversprechenden jungen
Mann und setzten hohe Erwartungen in ihn als einen befähigten und
zielstrebigen Verfechter des alten Glaubens. Seine Aufnahme in den
Hohen Rat brachte ihn in eine machtvolle Stellung.
Saulus war am Verhör und an der Verurteilung des Stephanus
maßgeblich beteiligt gewesen. Die sinnfälligen Beweise jedoch,
durch die sich Gott mit seiner Gegenwart zu dem Märtyrer bekannte,
weckten in Saulus Zweifel, ob die von ihm betriebene Verfolgung
der Jünger Jesu berechtigt sei. Er war sehr beunruhigt und wandte
sich in seiner Ratlosigkeit an diejenigen, deren Weisheit und Ur-
teilsvermögen er voll vertraute. Die Begründungen der Priester und
Obersten überzeugten ihn schließlich, daß Stephanus ein Gottesläste-
rer und Christus, den der zum Märtyrer gewordene Jünger gepredigt
hatte, ein Betrüger gewesen sei. Das Recht mußte somit auf der Seite
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derer sein, die im heiligen Amte standen.
Zu diesem Schluß kam Paulus nicht ohne ernste Anfechtung;
aber seine Erziehung, seine Vorurteile, seine Achtung vor seinen
ehemaligen Lehrern und sein Ehrgeiz, die Volksgunst zu erringen,
führten ihn schließlich dahin, sich gegen die Stimme des Gewissens
und gegen die Gnade Gottes aufzulehnen. Als es für ihn feststand,
daß die Priester und Schriftgelehrten recht hatten, wurde Saulus sehr
heftig in seinem Widerstand gegen die von Jesu Jüngern verbreitete
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