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Der große Kampf
Furchtlos verteidigte Luther das Evangelium gegen die von allen
Seiten losbrechenden Angriffe. Das Wort Gottes erwies sich als
eine mächtige Waffe in jedem Streit. Mit diesem Wort kämpfte er
gegen die angemaßte Autorität des Papstes und die vernunftgemäße
Philosophie der Gelehrten, und damit widerstand er ebenso fest wie
ein Fels der Schwärmerei, die sich mit der Reformation vergeblich
zu verbinden suchte.
Alle gegnerischen Strömungen setzten auf ihre Art die Heilige
Schrift beiseite und erhoben menschliche Weisheit zur Quelle reli-
giöser Wahrheit und Erkenntnis. Der Rationalismus vergöttert die
Vernunft und macht sie zum Maßstab der Religion. Die römisch-
katholische Kirche, die für den Papst eine unmittelbar von den Apo-
steln überkommene und für alle Zeiten unwandelbare Inspiration
(göttliche Eingebung) beansprucht, bietet genügend Beispiele von
Ausschweifung und Entartung, was allerdings unter der Heiligkeit
des apostolischen Auftrags verheimlicht bleiben mußte. Die Einge-
bung, auf die sich Münzer und seine Anhänger beriefen, stammte
aus den wunderlichen Einfällen ihrer Einbildungskraft; ihr Einfluß
untergrub sowohl die menschliche als auch die göttliche Autorität.
Wahre Christen betrachten die Heilige Schrift als die Schatzkam-
mer der von Gott eingegebenen Wahrheit und als Prüfstein für jede
Eingebung.
Nach seiner Rückkehr von der Wartburg vollendete Luther seine
Übersetzung des Neuen Testaments, und bald wurde das Evangelium
dem deutschen Volk in seiner eigenen Sprache gegeben. Diese Über-
setzung nahmen alle, die die Wahrheit liebten, mit großer Freude
auf, wurde aber von denen, die menschliche Überlieferungen und
Menschengebote vorzogen, höhnisch verworfen.
Die Priester beunruhigte der Gedanke, daß das gemeine Volk
jetzt fähig sein würde, mit ihnen die Lehren des Wortes Gottes zu
besprechen und daß ihre eigene Unwissenheit dadurch ans Licht
käme. Die Waffen ihrer menschlichen Vernunft waren machtlos ge-
gen das Schwert des Geistes. Rom bot seinen ganzen Einfluß auf,
um die Verbreitung der Heiligen Schrift zu hindern; aber Dekrete,
Bannflüche und Folter blieben gleich wirkungslos. Je entschiedener
die Bibel verdammt und verboten wurde, desto stärker verlangte das
Volk zu erfahren, was sie wirklich lehre. Alle, die lesen konnten,
waren begierig, das Wort Gottes selber zu erforschen. Sie trugen das
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