Seite 151 - Das Leben Jesu (1973)

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In seinem Tempel
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davon, daß sich in ihm die Weissagungen auf den Messias erfüllt
hätten. Für die Sünde der Tempelentweihung trugen die Priester die
größte Verantwortung. Auf Grund ihrer Anordnung war der Tempel-
hof zu einem Marktplatz geworden. Das Volk war daran ziemlich
unschuldig. Es hatte sich von der göttlichen Autorität Jesu beein-
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drucken lassen, doch noch war der Einfluß der Priester und Obersten
auf das Volk stärker. Jene betrachteten Christi Wirken als etwas
gänzlich Neues und bezweifelten sein Recht, sich gegen das zu stel-
len, was von den für den Tempel Verantwortlichen gestattet worden
war. Sie waren zudem verärgert, weil ihre Geschäftemacherei un-
terbrochen worden war, und unterdrückten somit das Mahnen des
Heiligen Geistes.
Wenn überhaupt jemand, dann hätten die Priester und Obersten
in Jesus den Gesalbten Gottes erkennen müssen; denn sie besaßen
ja die heiligen Schriftrollen, die sein Wirken beschrieben, und sie
wußten, daß sich in der Reinigung des Tempels eine bedeutendere
Macht bekundete als die von Menschen. So sehr sie auch Jesus
haßten, konnten sie sich dennoch nicht dem Gedanken entziehen,
daß er ein von Gott gesandter Prophet sei, der die Heiligkeit des
Tempels wiederherzustellen habe. Mit aller aus dieser Befürchtung
geborenen Achtung wandten sie sich an ihn mit der Frage: „Was
zeigst du uns für ein Zeichen, daß du solches tun darfst?“
Johannes
2,18
.
Jesus hatte ihnen bereits ein Zeichen gegeben. Indem er blitzartig
ihren Sinn erhellte und vor ihren Augen jene Werke vollbrachte,
die vom Messias erwartet wurden, hatte er einen überzeugenden
Nachweis seiner Persönlichkeit erbracht. Deshalb antwortete er auf
ihre Frage nach einem Zeichen mit einer Bildrede und deckte damit
auf, daß er ihre Bosheit erkannt hatte und voraussah, wohin sie durch
diese geführt würden, „Brechet diesen Tempel ab“, sagte er, „und in
drei Tagen will ich ihn aufrichten.“
Johannes 2,19
.
Dieses Wort hat zwiefache Bedeutung. Jesus bezog es nicht nur
auf die Zerstörung des jüdischen Tempels und Kultdienstes, sondern
auch auf seinen eigenen Tod — die Zerstörung des Tempels seines
Leibes. Das aber planten die Juden bereits. Als nämlich die Priester
und Obersten zum Tempel zurückkehrten, hatten sie beschlossen,
Jesus umzubringen und sich dadurch selbst von dem Störenfried
zu befreien. Als er ihnen jedoch ihre Absicht vor Augen führte,