Seite 208 - Das Leben Jesu (1973)

Basic HTML-Version

204
Das Leben Jesu
brochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen
die Freiheit, den Gebundenen, daß sie frei und ledig sein sollen;
zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn.“
Jesaja 61,1.2
. Durch
seine Werke wies sich Christus nicht allein als Messias aus, sondern
er zeigte auch, wie sein Reich gegründet werden sollte. Johannes
wurde dieselbe Wahrheit eröffnet wie einst dem Propheten Elia in
der Wüste, als „ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die
Felsen zerbrach, kam vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht im
Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der Herr war
nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber
der Herr war nicht im Feuer.“
1.Könige 19,11.12
. Doch nach dem
Feuer redete Gott zu dem Propheten durch eine stille, sanfte Stimme.
Genauso sollte Jesus seine Aufgabe erfüllen, nicht mit Waffengeklirr
und indem er Throne und Königreiche stürzte. Er sollte vielmehr
durch ein Leben der Güte und Hingabe zu den Herzen der Menschen
sprechen.
Der Grundsatz der Selbstverleugnung in des Täufers eigenem
Leben war auch eine Grundregel im Reiche des Messias. Johannes
wußte genau, wie fremd all dies den Grundsätzen und Hoffnungen
der führenden Männer Israels war. Was er für einen überzeugenden
Beweis der Göttlichkeit Christi hielt, würde jene nicht überzeugen.
Sie erwarteten einen Messias, wie er nicht verheißen worden war.
Johannes verstand, daß die Sendung des Heilandes bei ihnen nur
Haß und Verdammung ernten konnte. Er als Wegbereiter mußte den
Kelch trinken, den Christus selber bis zur Neige leeren sollte.
Die Worte des Heilandes „Selig ist, der nicht Ärgernis nimmt an
mir“ (
Matthäus 11,6
;
Lukas 7,23
), waren für Johannes ein milder
Tadel. Er stieß bei ihm nicht auf taube Ohren. Jetzt verstand er das
Wesen des Dienstes Christi besser und beugte sich vor Gott, bereit
zu leben oder zu sterben, was immer der Sache, die er liebte, am
meisten dienen konnte.
Nachdem die Boten des Johannes gegangen waren, sprach Jesus
zu dem Volk über den Täufer. Das Herz des Heilandes wandte
sich in tiefem Mitgefühl dem treuen Zeugen zu, der im Burgverlies
des Herodes lebendig begraben war. Er wollte das Volk nicht in
der Meinung bestärken, Gott habe Johannes im Stich gelassen, oder
Johannes hätte am Tage der Prüfung im Glauben Schiffbruch erlitten.
„Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen?“ fragte er.
[206]