Seite 210 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
taten sie kund, daß sie nicht Gott, sondern dem Reiche dieser Welt
huldigten.
„Oder was“, sprach Jesus, „seid ihr hinausgegangen? Wolltet ihr
einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch: er ist mehr als ein Prophet.
Dieser ist‘s, von dem geschrieben steht: ‚Siehe, ich sende meinen
Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.‘ Wahrlich, ich
sage euch: Unter allen, die vom Weibe geboren sind, ist keiner aufge-
standen, der größer sei als Johannes der Täufer.“
Matthäus 11,9-11
;
Maleachi 3,1
. Bei der Ankündigung der Geburt des Johannes hatte
der Engel dem Priester Zacharias erklärt: „Er [Johannes] wird groß
sein vor dem Herrn.“
Lukas 1,15
. Was ist Größe aber im Urteil des
Himmels? Nicht das, was die Welt für Größe hält; Reichtum, sozialer
Stand, vornehme Herkunft oder Intelligenz, für sich allein betrachtet,
zählen nicht. Wenn überragende Geisteskraft, losgelöst von jeder
höheren Beziehung, Verehrung beansprucht, dann müßten wir auch
Satan huldigen, dessen Geistesschärfe noch nie ein Mensch erreicht
hat. Es ist nun einmal so: Je größer eine Gabe ist, zu einem desto
größeren Fluch entartet sie, sobald sie zum Selbstzweck verfälscht
wird. Gott schätzt allein sittliche Werte. Liebe und Reinheit sind die
Eigenschaften, die er am höchsten bewertet. In den Augen des Herrn
war Johannes groß, als er vor den Abgesandten des Hohen Rates,
vor dem Volk und vor seinen eigenen Jüngern keinerlei Ehre für sich
selber suchte, sondern sie alle auf Jesus als den von Gott Verheiße-
nen hinwies. Seine selbstlose Freude im Dienst für Christus stellt
die höchste Form edler Gesinnung dar, die je ein Mensch offenbaren
kann.
Alle jene, die sein Bekenntnis zu Jesus vernommen hatten, be-
zeugten nach seinem Tode: „Johannes tat kein Zeichen; aber alles,
was Johannes von diesem gesagt hat, das ist wahr.“
Johannes 10,41
.
Es war ihm nicht — wie Elia — gegeben, Feuer vom Himmel fallen
zu lassen oder Tote aufzuwecken oder — Mose gleich — im Namen
Gottes den Wunderstab zu schwingen. Er war gesandt, den nahen-
den Erlöser anzukündigen und das Volk aufzurufen, sich auf dessen
Ankunft vorzubereiten. Seinen Auftrag erfüllte er so gewissenhaft,
daß das Volk in Erinnerung an das, was er sie über Jesus gelehrt
hatte, bestätigte: „Alles, was Johannes von diesem gesagt hat, das ist
wahr.“ Ein solches Zeugnis von Christus zu geben, ist jeder Jünger
des Meisters aufgerufen.
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