Seite 236 - Das Leben Jesu (1973)

Basic HTML-Version

232
Das Leben Jesu
Herzen beeinflussen und sie durch das Band seiner Liebe zu sich
ziehen, so daß seine Diener „Menschenfischer“ werden.
Diese Fischer von Galiläa waren einfache und ungelehrte Män-
ner; doch Christus, das Licht der Welt, befähigte sie zur Erfüllung
des Dienstes, zu dem er sie berufen hatte. Er verachtete keineswegs
gute Erziehung, die unter göttlicher Leitung und seinem Dienst ge-
weiht sich nur als segensreich erweisen kann. Er ging aber an den
Weisen seiner Zeit vorüber, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäf-
tigt waren, um mit den Leidenden Erbarmen haben und Mitarbeiter
Gottes sein zu können. Diese Weisen verschmähten es in ihrem
blinden, heuchlerischen Eifer, sich von Jesus belehren zu lassen. Der
Heiland sucht die Mitarbeit derer, die offene Kanäle zur Mitteilung
seiner Gnade sein wollen. Das Wichtigste, was alle lernen müssen,
die mit Gott zusammenarbeiten wollen, ist, nicht so sehr von sich
selbst eingenommen zu sein. Erst dann kann ihnen der Charakter
Christi nahegebracht werden. Eine solche Ausbildung ist nicht auf
den wissenschaftlichen Schulen dieser Welt zu erlangen, sondern sie
ist die Frucht jener Weisheit, die allein von dem göttlichen Lehrer
vermittelt wird.
Jesus erwählte die einfachen Fischer, weil diese nicht in den
Traditionen und in den irrigen Gewohnheiten ihrer Zeit unterwiesen
worden waren. Sie waren unverbildete Menschen mit natürlichen
Anlagen, demütig und gelehrig — sie waren Männer, die Christus zu
seinem Dienst ausbilden konnte. Im Alltagsleben steht so mancher
einfache Mann, der treu und geduldig seiner Tagesarbeit nachgeht
und der unbewußt eine große Kraft besitzt, die ihn, könnte er sie
einsetzen, an die Seite hochgeehrter Männer stellen würde. Es be-
darf des Anstoßes einer geschickten Hand, um diese schlummernden
Fähigkeiten zu wecken. Solche Männer berief Jesus zu seinen Mit-
arbeitern und gewährte ihnen den Vorzug, mit ihm in unmittelbarer
Verbindung zu stehen. Kein irdischer Großer hatte je solchen Lehrer.
Als die Jünger die Schule des Heilandes verließen, waren sie nicht
mehr unwissend oder ungebildet. Sie waren an Gemüt und Charakter
ihm ähnlich geworden, und die Menschen erkannten an ihrem Wesen
den Einfluß Jesu.
[234]
Es ist nicht die höchste Aufgabe der Erziehung, bloße Kenntnisse
mitzuteilen, sondern vielmehr jene belebende Tatkraft zu vermitteln,
die durch eine Verbindung von Herz zu Herz und von Seele zu