Seite 277 - Das Leben Jesu (1973)

Basic HTML-Version

Der Sabbat
273
an aufrichtiger Rechtschaffenheit und hingebungsvoller Liebe, die
[274]
immer den wahren Anbeter Gottes auszeichnen, nicht ersetzen.
Aufs neue wiederholte Christus die Wahrheit, daß die Opfer, in
sich selbst wertlos, nur ein Mittel, nicht aber die Erfüllung wären.
Ihre Aufgabe war es, die Menschen zum Heiland zu führen und sie
dadurch in Übereinstimmung mit Gott zu bringen. Allein den Dienst
aus Liebe schätzt Gott; fehlt diese Liebe, dann sind ihm alle Opfer
und Formen ein Ärgernis. Genauso ist es auch mit dem Sabbat.
Dieser war dazu bestimmt, die Gemeinschaft der Menschen mit
Gott herzustellen. Als jedoch das Gemüt der Menschen von lästigen
Satzungen in Anspruch genommen wurde, war Gottes Absicht mit
dem Sabbat durchkreuzt; die rein äußerliche Beachtung des Sabbats
war ein Hohn.
An einem andern Sabbat sah Jesus beim Betreten einer Synagoge
einen Mann mit einer verdorrten Hand. Die Pharisäer beobachteten
ihn, begierig zu sehen, was er tun würde. Jesus wußte wohl, daß er
als Übertreter des Gesetzes angesehen würde, wenn er am Sabbat
heilte. Dennoch zögerte er nicht, die Schranken der übernommenen
Menschensatzungen, die den Sabbat umzäunten, niederzureißen. Er
ließ den leidenden Mann hervortreten und fragte dann: „Soll man
am Sabbat Gutes tun oder Böses tun, Leben erhalten oder töten?“
Markus 3,4
. Bei den Juden herrschte die Regel, daß, wer eine gute
Tat unterließ, gleichzeitig eine böse Tat beging; ein gefährdetes
Leben nicht zu retten, bedeutete, es zu töten. So schlug Jesus die
Juden mit ihren eigenen Waffen. „Sie aber schwiegen stille. Und
er sah sie umher an mit Zorn und ward betrübt über ihr verstocktes
Herz und sprach zu dem Menschen: Strecke deine Hand aus! Und er
streckte sie aus; und seine Hand ward gesund.“
Markus 3,4.5
.
Als Jesus gefragt wurde: „Ist‘s auch recht, am Sabbat zu heilen?“,
antwortete er: „Welcher ist unter euch, wenn er ein einziges Schaf
hat und es fällt ihm am Sabbat in eine Grube, der es nicht ergreife
und ihm heraushelfe? Wieviel mehr ist nun ein Mensch als ein Schaf!
Darum darf man wohl am Sabbat Gutes tun.“
Matthäus 12,10-12
.
Die Pharisäer wagten es aus Furcht vor der Menge nicht, dem
Herrn zu antworten. Sie wollten sich selbst keine Schwierigkeiten
bereiten. Sie wußten genau, daß er die Wahrheit gesprochen hatte.
Lieber würden sie einen Menschen seinen Schmerzen überlassen,
als ihre Satzungen übertreten. Dagegen befreiten sie ein Schaf aus
[275]