Seite 349 - Das Leben Jesu (1973)

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Die ersten Evangelisten
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dabei nie ihre Sündhaftigkeit. Er war zu sehr der Menschen wirkli-
cher Freund, um schweigen zu können, wenn sie einen Weg gingen,
der ihre Seelen in die Verdammnis führte; ihre Seelen, die er doch
mit seinem Leben erkauft hatte. Er wirkte dahin, daß der Mensch
nicht nur sich selbst, sondern auch seinen höheren, ewigen Zielen
treu sein möchte. Die Diener des Evangeliums sind zu der gleichen
Aufgabe berufen. Sie müssen sich hüten, um irgendeiner Uneinigkeit
willen die Wahrheit zurückzusetzen. Sie sollen „dem nachstreben,
was zum Frieden dient“. (
Römer 14,19
). Der wahre Friede kann
jedoch nie erreicht werden, indem man die Grundsätze der Wahrheit
aufs Spiel setzt. Niemand kann aber auch seiner Überzeugung treu
sein, ohne auf irgendeinen Widerstand zu stoßen. Einem geistlichen
Christentum werden die Kinder des Ungehorsams widerstehen; aber
Jesus gebot seinen Jüngern: „Fürchtet euch nicht vor denen, die
den Leib töten und die Seele nicht können töten.“
Matthäus 10,28
.
Wer treu zu Gott hält, braucht die Feindschaft der Menschen und
die Macht Satans nicht zu fürchten. In Christus ist ihm das ewige
Leben gewiß. Seine einzige Furcht sollte sein, von der Wahrheit
abzuweichen und das Vertrauen zu enttäuschen, mit dem Gott ihn
geehrt hat.
Der Teufel sucht die Menschenherzen mit Zweifel zu erfüllen
und sie zu verleiten, Gott als einen strengen Richter anzusehen. Er
verführt sie zur Sünde und veranlaßt dann, daß sie sich selbst für
zu verderbt halten, um sich ihrem himmlischen Vater zu nähern
oder sein Mitleid zu erwecken. Der Herr versteht alles. Jesus ver-
sichert seinen Jüngern, daß Gott ihre Bedürfnisse und Schwächen
mitfühlt, daß kein Seufzer ausgestoßen, kein Schmerz empfunden
wird, kein Kummer die Seele bedrückt, ohne daß sein Vaterherz
dadurch berührt wird.
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Die Heilige Schrift zeigt uns Gott in seiner erhabenen Höhe
nicht untätig, nicht schweigend und einsam, sondern umgeben von
tausendmal tausend und zehntausendmal zehntausend heiliger We-
sen, die darauf warten, seinen Willen zu tun. Durch Kanäle, die
wir nicht erkennen, steht er mit seinem ganzen Reich in lebendiger
Verbindung; aber auf unserer kleinen Erde sind die Seelen, für die
er seinen eingeborenen Sohn opferte, der Mittelpunkt seiner und
des ganzen Himmels Teilnahme. Gott beugt sich von seinem Thron
herab, um das Rufen der Unterdrückten zu hören; er antwortet auf