Seite 387 - Das Leben Jesu (1973)

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Die Entscheidung in Galiläa
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seine Liebe nicht erwiderte, seine Gnade verachtete und seine Erlö-
sung ablehnte, erfüllte ihn mit unsäglicher Sorge. Diese Entwicklung
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machte ihn zu einem Mann der Schmerzen, der mit Kummer vertraut
war.
Ohne jene daran zu hindern, die ihn verließen, wandte sich Jesus
den Zwölfen zu mit der Frage: „Wollt ihr auch weggehen?“
Johannes
6,67
.
Petrus antwortete ihm mit der Gegenfrage: „Herr, wohin sollen
wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ Und er fügte hinzu:
„Wir haben geglaubt und erkannt, daß du bist der Heilige Gottes.“
Johannes 6,68.69
.
„Wohin sollen wir gehen?“ Die Lehrer Israels hingen dem blo-
ßen Formenwesen sklavisch an. Die Pharisäer und Sadduzäer lagen
miteinander in ständigem Streit. Wer Jesus verließ, geriet damit
unter Eiferer für Bräuche und Zeremonien sowie unter ehrgeizige
Menschen, die nur ihren eigenen Ruhm suchten. Die Jünger hat-
ten, seit sie Christus angenommen hatten, mehr Friede und Freude
empfunden als in ihrem ganzen Leben zuvor. Wie sollten sie sich
nun denen wieder zuwenden, die den Freund der Sünder verachteten
und verfolgten? Schon lange hatten sie nach dem Messias Ausschau
gehalten. Jetzt war er endlich erschienen, und sie konnten sich nicht
von ihm ab- und denen zuwenden, die ihm nach dem Leben trach-
teten und sie selbst verfolgt hatten, weil sie seine Jünger geworden
waren.
„Wohin sollen wir gehen?“ Auf keinen Fall fort von den Lehren
Christi, von seinen Beispielen der Liebe und Gnade und hin zur
Finsternis des Unglaubens und zur Schlechtigkeit der Welt! Der Hei-
land wurde von vielen verlassen, die Zeugen seines Wunderwirkens
gewesen waren. Petrus dagegen drückte den Glauben der Jünger
aus: „Du bist der heilige Gottes.“ Der bloße Gedanke, diesen Anker
für ihre Seelen verlieren zu können, verursachte ihnen Furcht und
Schmerz. Ohne Heiland zu sein hieß für sie, auf finsterer, stürmischer
See umherzutreiben.
Viele Worte und Taten Jesu erscheinen dem begrenzten Ver-
stand geheimnisvoll; aber jedes Wort und jede Tat diente einer ganz
bestimmten Absicht im Erlösungswerk und sollte ein besonderes Er-
gebnis zeitigen. Wären wir fähig, Jesu Absichten zu begreifen, dann