Seite 391 - Das Leben Jesu (1973)

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Überlieferungen
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flucht, der soll des Todes sterben.‘ Ihr aber sagt: ‚Wenn einer spricht
zu Vater oder Mutter: Korban, das heißt Opfergabe, soll sein, was
dir sollte von mir zukommen, so laßt ihr ihn hinfort nichts tun für
seinen Vater oder seine Mutter.‘“
Markus 7,9-12
. Sie setzten das
fünfte Gebot als unwichtig beiseite, handelten aber sehr genau nach
den Überlieferungen der Ältesten. Die Tempelsteuer bezeichneten
sie als eine Pflicht, die zu erfüllen heiliger sei als die Unterstützung
der Eltern; es sei sogar ein Unrecht, den Eltern etwas von dem zu
geben, das dem Tempel geweiht war. Ein pflichtvergessenes Kind
brauchte nur das Wort „Korban“ über sein Eigentum auszusprechen,
so wurde es dadurch Gott geweiht. Es durfte wohl sein Hab und Gut
während seiner Lebensdauer für sich verwenden, aber nach seinem
Tode wurde es dann dem Tempel zugesprochen. So hatte das Kind
stets die Freiheit, während seines Lebens und nach seinem Tode die
Eltern unter dem Deckmantel der Hingabe an Gott zu entehren und
zu betrügen.
Niemals hatte Jesus, weder durch Worte noch durch Taten, die
Verpflichtung des Menschen, dem Herrn Opfergaben zu bringen,
eingeschränkt, war es doch selbst, der die Anweisungen des Gesetzes
hinsichtlich des Zehnten und der Gaben gegeben hatte. Er lobte
auch, als er auf Erden war, das arme Weib, das alles, was es hatte,
in den Gotteskasten legte. Doch der scheinbare Eifer der Priester
und Rabbiner für Gott war nur ein Vorwand, um ihr Verlangen nach
Selbsterhöhung zu verdecken. Das Volk wurde dadurch betrogen; es
trug schwere Bürden, die nicht Gott ihm auferlegt hatte. Selbst die
Jünger waren nicht gänzlich frei von dem Joch, das durch ererbtes
Vorurteil und rabbinische Autorität auf sie gelegt war. Indem Jesus
den wahren Geist der Rabbiner zeigte, wollte er alle echten Diener
Gottes von der Last der Überlieferungen befreien.
Den verschlagenen Spähern rief er zu: „Ihr Heuchler, gar fein hat
Jesaja von euch geweissagt und gesprochen: ‚Dies Volk ehrt mich
mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir; vergeblich dienen
sie mir, weil sie lehren solche Lehren, die nichts als Menschenge-
bote sind.‘“
Matthäus 15,7-9
. Christi Worte waren eine Anklage
gegen das Pharisäertum. Er wies darauf hin, daß sich die Rabbiner
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über Gott erhoben hatten, indem sie ihre Gebote über die göttlichen
Verordnungen setzten.