Seite 477 - Das Leben Jesu (1973)

Basic HTML-Version

Der gute Hirte
473
er ruft seine Schafe mit Namen und führt sie aus. Und wenn er alle
die Seinen hat hinausgelassen, geht er vor ihnen hin, und die Schafe
folgen ihm nach; denn sie kennen seine Stimme.“
Johannes 10,3.4
.
Von allen Geschöpfen ist das Schaf eines der furchtsamsten und
hilflosesten; im Orient sorgt der Hirte unermüdlich für seine Herde.
In der damaligen Zeit waren die Herden außerhalb der Stadtmauer
besonders gefährdet, da Räuber von den umherziehenden Stämmen
oder Raubtiere, die an unzugänglichen Plätzen in den Bergen lebten,
darauf lauerten, in die Herde einzubrechen. Der Hirte wachte über
die seiner Obhut anvertrauten Schafe, und er wußte, daß es unter
Einsatz seines Lebens geschah. Jakob, der einst die Herden des La-
ban auf den Weiden bei Haran hütete, beschrieb diesen mühevollen
Beruf: „Des Tages kam ich um vor Hitze und des Nachts vor Frost,
und kein Schlaf kam in meine Augen.“
1.Mose 31,40
. Und als der
junge David seines Vaters Schafe weidete, kämpfte er allein mit
Löwen und Bären und rettete manches Lamm aus ihren Zähnen.
Das Leben des guten Hirten, der seine Herde durchs Gebirge
und durch Wälder und wilde Schluchten zu den geschützten Wei-
deplätzen an den Ufern der Flüsse führt, der in den Bergen einsam
die Nacht durchwacht, der auf Räuber achthat und für die verletzten
und schwachen Schafe sorgt, verwächst immer mehr mit dem seiner
Schafe, so daß er sich mit seinen Schutzbefohlenen innig verbunden
fühlt. Er kennt jedes Tier seiner Herde, mag sie noch so groß sein.
Er kennt jedes Schaf mit seinem Namen, und die Tiere kennen seine
Stimme und hören darauf, wenn sie gerufen werden.
So kennt auch der göttliche Hirte die „Schafe“ seiner Herde, die
auf der ganzen Welt verstreut leben. „Ihr sollt meine Herde sein, die
Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der
Herr.“
Hesekiel 34,31
. Jesus sagt: „Ich habe dich bei deinem Namen
gerufen; du bist mein!“
Jesaja 43,1
. „Siehe, in die Hände habe ich
dich gezeichnet.“
Jesaja 49,16
.
Der Heiland kennt uns persönlich und hat Mitleid mit unserer
Schwachheit. Er kennt uns alle mit Namen. Er kennt das Haus, in
[477]
dem wir wohnen, jeden Bewohner. Von Zeit zu Zeit gab er seinen
Dienern Anweisung, in einer bestimmten Stadt in ein bestimmtes
Haus in einer bestimmten Straße zu gehen, um eines seiner Schafe
zu finden.