Seite 478 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
Jede Seele ist dem Herrn so gut bekannt, als sei sie die einzige,
für die er sein Leben gelassen hat. Jede Not rührt sein Herz, jeder
Hilferuf dringt an sein Ohr; er kam, um alle Menschen zu retten.
Allen rief er zu: „Folget mir nach!“ Sein guter Geist bewegt die
Herzen, daß sie sich entschließen, zu ihm zu gehen. Viele wehren
sich, sich zu ihm ziehen zu lassen; doch Jesus weiß sie zu finden.
Er kennt auch die willigen Seelen, die freudig bereit sind, sich sei-
nem Hirtenamt anzuvertrauen. Er sagt: „Meine Schafe hören meine
Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.“
Johannes 10,27
. Er
sorgt für jedes einzelne, als wäre es allein auf der Welt.
„Er ruft seine Schafe mit Namen und führt sie aus ... und die
Schafe folgen ihm nach; denn sie kennen seine Stimme.“
Johannes
10,3.4
. Ein orientalischer Hirte braucht seine Herde nicht zu treiben;
er vermeidet Zwang und Gewalt. Ruhig geht er der Herde voran,
und er ruft die Tiere. Sie kennen seine Stimme und gehorchen ihr.
So handelt auch der Heiland-Hirte mit seinen Schafen. Die Schrift
spricht davon: „Du führtest dein Volk wie eine Herde durch die
Hand des Mose und Aaron.“
Psalm 77,21
. Und durch den Propheten
Jeremia bekräftigt der Herr: „Ich habe dich je und je geliebt, darum
habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“
Jeremia 31,3
. Er
zwingt keinen, ihm zu folgen. „Ich ließ sie ein menschliches Joch
ziehen“, sagte er, „und in Seilen der Liebe gehen und half ihnen das
Joch auf ihrem Nacken tragen und gab ihnen Nahrung.“
Hosea 11,4
.
Es ist weder Furcht vor Strafe noch Hoffnung auf ewigen Lohn,
der Jesu Jünger veranlaßt, ihm zu folgen; aber des Heilandes unver-
gleichliche Liebe, die sich in seiner irdischen Pilgerschaft von der
Krippe in Bethlehem bis zum Kreuz auf Golgatha offenbarte, und
das Bild seiner Erscheinung erweichen und bezwingen die Seele.
Liebe erwacht in den Herzen aller, die ihm nahe sind. Sie hören
seine Stimme und folgen ihr.
Wie der Hirte seiner Herde voranschreitet und somit auch zu-
erst etwaigen Gefahren begegnet, so verfährt auch Jesus mit seinen
Nachfolgern. „Wenn er alle die Seinen hat hinausgelassen, geht er
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vor ihnen hin.“ Der Weg zum Himmel ist durch die Fußspuren Jesu
geheiligt. Mag er steil und rauh sein, Jesus ist ihn gegangen, seine
Füße haben die spitzen Dornen niedergetreten und den Weg für uns
leichter gemacht. Jede Last, die uns drückt, hat er auch getragen.