Seite 513 - Das Leben Jesu (1973)

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„Eines fehlt dir“
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wendig. Der Jüngling bedurfte der Liebe Gottes in seinem Herzen;
dieser Mangel würde sich — es sei denn, man hülfe ihm ab — für
ihn verhängnisvoll auswirken und sein ganzes Wesen verderben.
Durch Genußsucht würde die Eigenliebe in ihm gestärkt. Wollte er
die Liebe Gottes empfangen, mußte er seine maßlose Eigenliebe
überwinden.
Der Herr prüfte diesen jungen Mann; er ließ ihn zwischen himm-
lischen Gütern und weltlicher Größe wählen. Der himmlische Schatz
wurde ihm zugesichert, wenn er dem Herrn nachfolgen würde; aber
dazu mußte er sich völlig Jesus weihen und seinen Willen unter
göttliche Leitung stellen. Die Kindschaft des Allerhöchsten wurde
ihm angeboten; ihm wurde die Gnade zuteil, ein Miterbe des himm-
lischen Schatzes zu werden, wenn er das Kreuz auf sich nähme und
dem Heiland auf dem beschwerlichen Wege der Selbstverleugnung
nachfolgte.
Die Worte Jesu enthalten wirklich für den Jüngling die Auffor-
derung: „Wählt euch heute, wem ihr dienen wollt.“
Josua 24,15
. Er
konnte wählen. Jesus sehnte sich nach der Bekehrung des jungen
Obersten. Der Herr hatte ihm den schwersten Mangel seines Charak-
ters gezeigt und erwartete nun mit großem Interesse des Jünglings
Entscheidung. Entschiede er sich, Jesus nachzufolgen, mußte er sich
ganz unter den Gehorsam des Wortes Jesu stellen. Das bedeutete
für ihn die Aufgabe aller seiner ehrgeizigen Pläne. Wie ernst und
besorgt, mit welch innerem Verlangen blickte der Heiland auf den
Jüngling, hoffend, er werde dem Anruf des Geistes Gottes nachge-
ben!
Christus zeigte ihm den einzigen Weg, auf dem er zu einem
vollkommenen christlichen Charakter kommen konnte. Seine Worte
waren Worte der Weisheit, wenn sie auch streng und anspruchs-
voll schienen. Sie anzunehmen und ihnen gehorsam zu sein, darin
bestand die einzige Hoffnung des Jünglings auf Erlösung. Seine
bevorzugte irdische Stellung und seine Reichtümer übten auf seinen
Charakter einen unbewußten, aber unheilvollen Einfluß aus. Wenn
er diesen Einfluß weiter auf sich wirken ließe, würde das Gott aus
seinem Herzen verdrängen. Ob er Gott wenig oder viel vorenthielte,
es hieße das zu behalten, was seine sittliche Kraft und Leistungsfä-
higkeit schmälern würde; denn wenn wir an den Dingen dieser Welt
hängen, wie zweifelhaft und wertlos sie auch sein mögen, werden
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