Seite 553 - Das Leben Jesu (1973)

Basic HTML-Version

Das Fest im Hause Simons
549
Tat als ein Pfand der Liebe, die ihm von seinen Erlösten für immer
entgegenschlägt.
Viele bringen den Toten wertvolle Gaben und sprechen an ihrem
stummen, erstarrten Leib freigebig Worte der Liebe. Zartgefühl,
Anerkennung und Hingabe werden an jene verschwendet, die weder
hören noch sehen können. Wären doch diese Worte gesprochen
worden, als der erschöpfte Geist ihrer so nötig bedurfte, als die
Ohren noch hören und das Herz noch fühlen konnte. Wie köstlich
wäre ihr Wohlgeruch gewesen!
Maria selbst konnte den wahren Wert ihrer Liebestat nicht er-
messen. Sie vermochte ihren Anklägern nicht zu antworten und
konnte auch nicht erklären, warum sie diese Gelegenheit benutzt
hatte, Jesus zu salben. Der Geist Gottes hatte sie getrieben, und sie
war ihm gefolgt. Das Herabkommen des Geistes bedarf keiner Be-
gründung; seine unsichtbare Gegenwart spricht zu Herz und Gemüt
und bewegt das Herz, zu handeln. Darin liegt die Rechtfertigung
solchen Handelns.
Christus erläuterte Maria den Sinn ihrer Tat und gab ihr damit
weit mehr, als er selbst empfangen hatte. „Daß sie dies Wasser hat
auf meinen Leib gegossen, hat sie getan, daß sie mich fürs Grab
bereite.“
Matthäus 26,12
. Wie das alabasterne Gefäß zerbrochen
wurde und der Salbe Wohlgeruch das ganze Haus erfüllte, so mußte
Christus sterben. Sein Leib mußte gebrochen werden; aber er sollte
wiederauferstehen aus dem Grabe, und der Wohlgeruch seines Le-
bens würde die ganze Welt erfüllen. Christus hat uns „geliebt und
sich selbst dargegeben für uns als Gabe und Opfer, Gott zu einem
lieblichen Geruch“.
Epheser 5,2
.
„Wahrlich, ich sage euch: Wo dieses Evangelium gepredigt wird
in der ganzen Welt, da wird man auch sagen zu ihrem Gedächtnis,
was sie getan hat.“
Matthäus 26,13
. Der Heiland sprach, in die Zu-
kunft blickend, mit aller Gewißheit von dem Weg des Evangeliums,
das in der ganzen Welt gepredigt werden sollte. So weit es sich
ausdehnte, Marias Gabe würde überall ihren Wohlgeruch verbreiten,
und die Herzen würden durch ihre natürliche Handlungsweise geseg-
net werden. Königreiche kämen empor und gingen wieder unter; die
Namen der Herrscher und Eroberer fielen in Vergessenheit, aber die
[554]
Tat Marias bliebe verewigt in den heiligen Büchern. Bis an das Ende
alles irdischen Geschehens würde dies zerbrochene Gefäß die Ge-