Seite 557 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Fest im Hause Simons
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Gabe Jesu gab Gott der Welt den ganzen Himmel. Wir Menschen
würden solch ein Opfer als Verschwendung bezeichnen. Unserer
beschränkten Urteilskraft erschiene der ganze Erlösungsplan als
Vergeudung von Gnade und Gnadenmitteln. Selbstverleugnung und
opferbereite Hingabe begegnen uns überall. Mit Recht mag der Herr
des Himmels erstaunend auf die Menschen blicken, die es ablehnen,
sich von der grenzenlosen Liebe in Jesus Christus erheben und be-
reichern zu lassen und die ausrufen: Warum diese Verschwendung?
Aber die Versöhnung für eine verlorene Welt sollte unverkürzt,
überreichlich und vollkommen sein. Christi Opfer war so unermeß-
lich groß, daß es jeder Mensch, den Gott erschuf, in Anspruch neh-
men kann. Es konnte ja auch nicht so eingeschränkt werden, als
genüge es kaum für diejenigen, die diese große Gabe annehmen
würden. Nicht alle Menschen werden gerettet. Aber der Erlösungs-
plan ist nicht deswegen nutzlos, weil er nicht all das vollbringt, wozu
er großzügig vorgesehen ist. Seine Wirksamkeit ist reichlich, ja in
überreichem Maße vorhanden.
Simon von Bethanien, der Gastgeber dieses Festes, war von den
kritischen Bemerkungen des Judas über Marias Gabe beeinflußt
worden und zeigte sich von dem Verhalten Jesu überrascht. Sein
pharisäischer Stolz war verletzt. Er wußte, daß viele seiner Gäste
Jesus mit Mißtrauen und Unwillen beobachteten, und dachte bei
sich: „Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüßte er, wer und welch
eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin.“
Lukas
7,39
.
Jesus hatte Simon vom Aussatz geheilt und ihn dadurch vor
einem lebendigen Tode bewahrt. Und doch zweifelte Simon, daß
Jesus ein Prophet sei. Weil Christus dieser Frau erlaubte, sich ihm
zu nähern, weil er sie nicht als eine Person, deren Sünden zu groß
waren, um vergeben zu werden, zurückwies, weil er sein Wissen,
daß sie gesündigt hatte, nicht zeigte, deshalb war Simon versucht zu
glauben, daß Jesus kein Prophet war. Jesus weiß nichts von dieser
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Frau, die so freigebig in ihren Äußerungen ist, dachte er, oder er
würde ihr nicht gestatten, ihn zu berühren.
Es war Simons Unwissenheit über Gott und Christus, die ihn
zu derartigen Gedanken führte. Er konnte sich nicht vorstellen, daß
Gottes Sohn nach göttlicher Weise handeln mußte, gnädig, gütig
und barmherzig. Er selbst hätte Marias bußfertigen Dienst gar nicht