Seite 609 - Das Leben Jesu (1973)

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„Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer ...“
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welche Gott oft am höchsten bewertet. Ein Herz voll Glauben und
Liebe ist dem Herrn mehr wert als die kostbarste Gabe. Die arme
Witwe gab mit dem wenigen, das sie brachte, „alles, wovon sie
lebte“.
Markus 12,44
. Sie verzichtete auf ihre Speise, um jene zwei
Scherflein der Sache beizusteuern, die sie liebte, und sie tat es im
Glauben, darauf vertrauend, daß der himmlische Vater sie in ihrer
Armut nicht übersehen werde. Dieser selbstlose Geist und dieser
kindliche Glaube fanden das Lob des Heilandes.
Es gibt viele Arme, die Gott gern ihre Dankbarkeit für seine
Gnade und Wahrheit zum Ausdruck bringen wollen. Mit ihren wohl-
habenden Brüdern vereinigen sie sich in dem Verlangen, das Werk
Gottes zu unterstützen. Diese Seelen sollten nicht zurückgewiesen
werden. Laßt sie ihre Scherflein in der Bank des Himmels anle-
gen. Wird aus einem liebevollen, gotterfüllten Herzen gegeben, dann
werden diese scheinbaren Kleinigkeiten geheiligte, unschätzbare
Opfergaben, die Gott wohlgefällig sind und die er segnet.
Als Jesus von der Witwe sagte, daß sie „mehr als sie alle ein-
gelegt“ (
Lukas 21,3
) habe, waren seine Worte doppelt wahr. Nicht
nur der Beweggrund hatte das Opfer aufgewertet, sondern auch die
Wirkung der Gabe. Die zwei Scherflein, die einen Heller ausmach-
ten, brachten eine viel größere Summe in den Gotteskasten als alle
Beiträge der reichen Juden. Der Einfluß jener kleinen Gabe ist wie
ein Strom gewesen, der, klein im Anfang, immer breiter und tiefer
wurde, je länger er durch die Zeitalter dahinfloß. Auf vielerlei Weise
hat das Beispiel der selbstlosen Witwe zur Unterstützung der Ar-
men und zur Ausbreitung des Evangeliums beigetragen und seine
Wirkung und Rückwirkung auf Tausende Herzen in allen Landen
zu allen Zeiten gehabt. Sie hat Reiche und Arme beeinflußt, und
deren Opfer haben den Wert ihrer Gabe anwachsen lassen. Der Se-
gen Gottes, der auf dem Scherflein der Witwe ruhte, hat die kleine
Gabe zu einer reichen Quelle gemacht. So ist es mit jeder Gabe, die
gegeben, und mit jeder Handlung, die getan wird in dem aufrichtigen
Verlangen, die Ehre Gottes zu mehren; denn sie entsprechen den
Absichten des Allmächtigen, und ihre segensreichen Folgen kann
kein Mensch ermessen.
Mit folgenden Worten setzte der Herr seine Anklagen gegen die
Schriftgelehrten und Pharisäer fort: „Weh euch, ihr blinden Führer,
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die ihr sagt: Wenn einer schwört bei dem Tempel, das gilt nicht;