Seite 611 - Das Leben Jesu (1973)

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„Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer ...“
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Verzehnten der Gartenkräuter, wie Minze, Dill und Raute. Dies ko-
stete sie wenig, verschaffte ihnen aber den Ruf der Genauigkeit und
Frömmigkeit; gleichzeitig aber setzten sie das Volk mit ihren nutz-
losen Einschränkungen unter Druck und zerstörten die Achtung vor
der Heiligkeit der göttlichen Ordnung. Sie beschäftigten die Sinne
der Menschen mit unbedeutenden Unterscheidungen und lenkten
dadurch die Aufmerksamkeit von wichtigen Wahrheiten ab. Die
schwerwiegendsten Dinge des Gesetzes — Gerechtigkeit, Barmher-
zigkeit und Glaube — wurden übersehen. Darum sagte Jesus mit
Recht, das eine solle man tun und das andere nicht lassen.
Noch andere Gesetze waren von den Rabbinern in ähnlicher
Weise entstellt worden. So war es in den durch Mose gegebenen
Verordnungen verboten, etwas unreines zu essen. Darunter fiel der
Genuß des Fleisches von Schweinen und bestimmten anderen Tieren,
da dadurch offenbar das Blut verunreinigt und das Leben verkürzt
würde. Die Pharisäer beließen es aber nicht bei den Beschränkungen,
die Gott ihnen geboten hatte, sondern übertrieben die Erfüllung der
göttlichen Verordnungen in ungerechtfertigter Weise. Unter ande-
rem mußten die Leute alles Wasser vor dem Gebrauch seihen, damit
nicht das kleinste Ungeziefer darin verbliebe, das eventuell zu den
unreinen Tieren gehöre. Der Heiland verglich diese Kleinlichkeits-
krämerei mit der Größe ihrer wirklichen Sünden und sagte zu den
Pharisäern: „Ihr blinden Führer, die ihr Mücken seihet und Kamele
verschluckt!“
Matthäus 23,24
.
„Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr
seid gleichwie die übertünchten Gräber, welche auswendig hübsch
scheinen, aber inwendig sind sie voller Totengebeine und lauter Un-
rat!“
Matthäus 23,27
. Wie die übertünchten und schön geschmück-
ten Gräber die verwesenden Überreste verbargen, so lag hinter der
äußeren Heiligkeit der Priester und Obersten ihre Sündhaftigkeit
verborgen.
Jesus fuhr fort: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr
Heuchler, die ihr den Propheten Grabmäler bauet und schmücket der
Gerechten Gräber und sprecht: Wären wir zu unsrer Väter Zeiten
gewesen, so wären wir nicht mit ihnen schuldig geworden an der
Propheten Blut! So gebt ihr über euch selbst Zeugnis, daß ihr Kinder
seid derer, die die Propheten getötet haben.“
Matthäus 23,29-31
. Um
ihre Wertschätzung der verstorbenen Propheten zu zeigen, waren die
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