Seite 612 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
Juden eifrig bemüht, deren Gräber zu verschönern; dabei beherzigten
sie weder ihre Lehren, noch beachteten sie ihre Zurechtweisungen.
Zur Zeit Christi zollte man den Ruhestätten der Toten eine
abergläubische Achtung; große Geldsummen wurden für ihre Aus-
schmückung verwendet. Vor Gott war das Götzendienst; denn in
ihrer übertriebenen Verehrung der Toten zeigten die Menschen, daß
sie Gott nicht über alles liebten noch ihren Nächsten wie sich selbst.
Solche Übertreibungen in der Totenverehrung finden wir in noch
größerem Umfang auch heute. Viele vernachlässigen die Witwen
und Waisen, die Kranken und Armen, nur um den Toten kostbare
Gedenksteine setzen zu können. Zeit, Geld und Arbeit werden hier-
für bereitwillig gegeben, während die Pflichten gegen die Lebenden
— Aufgaben, die Christus deutlich eingeschärft hatte — versäumt
werden.
Die Pharisäer bauten der Propheten Grabstätten, schmückten
deren Gräber und sagten zueinander: Wenn wir in den Tagen unserer
Väter gelebt hätten, würden wir uns nicht mit ihnen vereint haben,
das Blut der Diener Gottes zu vergießen. Und doch planten sie zur
gleichen Zeit, das Leben des Sohnes Gottes zu vernichten. Das sollte
uns eine Lehre sein und uns die Augen öffnen, die Macht Satans
zu erkennen, welche alle Menschen täuscht, die sich von dem Licht
der Wahrheit abwenden. Viele folgen den Wegen der Pharisäer. Sie
ehren die Menschen, die um ihres Glaubens willen gestorben sind;
sie wundern sich über die Blindheit der Juden, die Jesus verwarfen,
und erklären: Hätten wir zu seiner Zeit gelebt, würden wir seine
Lehren mit Freuden angenommen haben; wir wären niemals mit je-
nen schuldig geworden, die ihn verwarfen. Wenn aber der Gehorsam
gegen Gott Demütigung und Selbstverleugnung erfordert, dann sind
es gerade diese Menschen, die ihre Überzeugung verleugnen und
den Gehorsam verweigern und dadurch den gleichen Geist bekunden
wie einst die Pharisäer, die Christus verurteilten.
Wie wenig erkannten die Juden die furchtbare Verantwortung,
die sie mit der Verwerfung Jesu auf sich nahmen! Seit der Zeit, da
erstmals unschuldiges Blut vergossen wurde, als der gerechte Abel
durch die Hand Kains fiel, hat sich das gleiche Geschehen mit wach-
sender Schuld wiederholt. Zu jeder Zeit haben treue Verkündiger
Gottes ihre Stimme gegen die Sünden der Könige, der Obersten und
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des Volkes erhoben, indem sie sprachen, was Gott ihnen geboten