Seite 620 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
senseins, da er allem Anschein nach selbst von Gott verlassen sein
würde, und wenn alle ihn sähen — gezüchtigt, von Gott verworfen,
niedergeschlagen. Er schreckte zurück vor der öffentlichen Bloß-
stellung, davor, als schlimmster Verbrecher angesehen zu werden,
und vor einem schmachvollen und unehrenhaften Tod. Eine Ahnung
von dem Kampf mit den Mächten der Finsternis, ein Gefühl für
die furchtbare Last aller menschlichen Übertretungen und für den
Zorn des Vaters über die Sünden der Welt belasteten seinen Geist;
Todesblässe überzog sein Angesicht.
Dann aber beugte er sich dem Willen seines Vaters und sprach:
„Darum bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche dei-
nen Namen!“ Nur durch Christi Tod konnte Satans Reich gestürzt,
nur so konnte der Mensch erlöst und Gott verherrlicht werden. Je-
sus ergab sich dem Todeskampf; er nahm das Opfer auf sich —
die Majestät des Himmels zeigte sich bereit, als Sündenträger zu
leiden. „Vater, verherrliche deinen Namen!“ bat der Heiland. Als
Christus diese Worte sprach, kam die Antwort aus der über ihm
schwebenden Wolke: „Ich habe ihn verherrlicht und will ihn aber-
mals verherrlichen.“
Johannes 12,27.28
. Jesu ganzes Leben von
der Krippe an bis zu der Zeit, da diese Worte gesprochen wurden,
hatte Gott verherrlicht, und in der herannahenden Prüfung würden
die göttlich-menschlichen Leiden des Heilandes den Namen des
himmlischen Vaters aufs neue verherrlichen.
Als die „Stimme vom Himmel“ ertönte, fuhr ein Lichtstrahl aus
der Wolke und umgab Jesus, als ob die Arme der ewigen Macht ihn
wie eine feurige Mauer umfingen. Das Volk schaute mit Schrecken
und größtem Erstaunen auf dieses Geschehen. Niemand wagte zu
reden. Schweigend, mit angehaltenem Atem standen sie alle, die
Augen auf Christus gerichtet. Nachdem das Zeugnis des Vaters
gegeben war, hob sich die Wolke und verteilte sich über ihnen. Die
sichtbare Gemeinschaft zwischen dem Vater und dem Sohn war erst
einmal wieder beendet.
„Da sprach das Volk, das dabeistand und zuhörte: Es donnerte.
Die andern sprachen: Es redete ein Engel mit ihm.“
Johannes 12,29
.
Die Griechen sahen die Wolke und hörten die Stimme, sie verstanden
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deren Bedeutung und erkannten wahrhaftig den Heiland; er wurde
ihnen als der Gesandte Gottes offenbart.