Seite 654 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
und daß einer von ihnen ein Teufel sei. Jetzt würden seine Worte an
Judas, die zeigten, daß ihm dessen Verrat bekannt war, den Glauben
seiner Nachfolger während seiner Erniedrigung stärken. Nach dem
Tod des Judas würden sie sich daran erinnern, welches Wehe er über
den Verräter ausgesprochen hatte.
Der Heiland verfolgte noch eine andere Absicht. Er hatte seinen
Dienst auch dem nicht verweigert, von dem er wußte, daß er ein
Verräter war. Die Jünger verstanden weder seine Worte bei der Fuß-
waschung: „Ihr seid nicht alle rein“ (
Johannes 13,11
), noch seine
Erklärung bei Tisch: „Der mein Brot isset, der tritt mich mit Füßen.“
Johannes 13,18
. Erst als später deren Sinn deutlich wurde, erkannten
sie die Größe der Geduld und Barmherzigkeit Gottes mit dem so
schrecklich Irrenden.
Obwohl Jesus den Verräter von Anfang an kannte, wusch er
ihm die Füße, ja, dieser durfte sogar mit Christus an dem heiligen
Mahl teilnehmen. Ein langmütiger Heiland bot dem Sünder jede
Möglichkeit, ihn anzunehmen, zu bereuen und von der Befleckung
durch die Sünde gereinigt zu werden. Darin liegt eine Lehre für
uns. Wenn wir vermuten, daß sich jemand in Irrtum und Sünde
befindet, sollen wir uns nicht von ihm zurückziehen. Wir dürfen
ihn nicht durch eine gleichgültige Trennung der Versuchung als
Opfer überlassen oder ihn auf Satans Schlachtfeld treiben. Das ist
nicht Christi Art. Weil seine Jünger irrten und unvollkommen waren,
wusch er ihnen die Füße und machte sie dadurch bis auf einen bereit
zur Buße.
Christi Beispiel verbietet, jemanden vom Abendmahl fernzu-
halten. Aber es ist wahr, daß offene Sünde den Schuldigen davon
ausschließt. Das lehrt der Heilige Geist sehr deutlich. Darüber hin-
aus sollte niemand ein Urteil fällen. Gott hat es nicht Menschen
überlassen, festzulegen, wer an diesen Gelegenheiten dabeisein darf.
Denn wer kann in die Herzen blicken? Wer kann die Spreu vom
Weizen unterscheiden? „Der Mensch prüfe aber sich selbst, und
so esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch.“ Denn
„welcher nun unwürdig von diesem Brot isset oder von dem Kelch
des Herrn trinket, der ist schuldig an dem Leib und Blut des Herrn“.
„Welcher also isset und trinket, daß er nicht unterscheidet den Leib
des Herrn, der isset und trinket sich selber zum Gericht.“
1.Korinther
11,28.27.29
.
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