Seite 671 - Das Leben Jesu (1973)

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„Euer Herz erschrecke nicht“
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steht geschrieben: ‚Ich werden den Hirten schlagen, und die Schafe
der Herde werden sich zerstreuen.‘“
Matthäus 26,31
. Traurig und
bestürzt schwiegen die Jünger. Sie dachten daran, wie sich in der
Synagoge zu Kapernaum, als Christus von sich als dem Brot des
Lebens sprach, viele aufgebracht von ihm abgewandt hatten; sie
aber waren ihm treu geblieben, und Petrus hatte im Namen aller ihre
Ergebenheit bekundet. Darauf hatte der Herr erwidert: „Habe ich
nicht euch Zwölf erwählt? Und euer einer ist ein Teufel.“
Johannes
6,70
. Und heute Abend hatte der Meister beim Passahmahl gesagt,
daß einer der Zwölf ihn verraten und daß Petrus ihn verleugnen
würde; jetzt aber schlossen seine Worte sie alle ein.
Wieder war es Petrus, der dem Herrn mit leidenschaftlicher Stim-
me zurief: „Und wenn sie alle an dir Ärgernis nähmen, so doch ich
nicht.“
Markus 14,29
. Oben im Saal hatte er sogar erklärt: „Ich will
mein Leben für dich lassen.“
Johannes 13,37
. Jesus hatte ihm darauf
erwidert, daß er seinen Heiland noch in derselben Nacht verraten
würde. Jetzt wiederholte er seine Warnung: „Wahrlich, ich sage dir:
Heute, in dieser Nacht, ehe denn der Hahn zweimal kräht, wirst du
mich dreimal verleugnen.“ Petrus aber „redete noch weiter: Wenn
ich auch mit dir sterben müßte, wollte ich dich nicht verleugnen.
Desgleichen sagten sie alle“.
Markus 14,30.31
. In ihrem Selbst-
vertrauen widersprachen sie der wiederholten Feststellung dessen,
der alle Dinge weiß. Auf eine Prüfung aber waren sie nicht vorbe-
reitet; darum würden sie ihre Schwäche erst erkennen, wenn die
Versuchung sie überraschte.
Petrus meinte es mit jedem Wort aufrichtig, als er dem Herrn
versprach, ihm in Gefangenschaft und Tod zu folgen; aber er kannte
sich selbst zuwenig. In seinem Herzen verborgen, schlummerten
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noch böse Neigungen, die durch besondere Umstände leicht ge-
weckt werden konnten und ihn unweigerlich dem ewigen Verderben
überantworten würden, wenn man ihm nicht diese Gefahr deutlich
zum Bewußtsein brächte. Jesus sah in ihm eine Eigenliebe und ein
Selbstvertrauen, die sogar über seine Liebe zum Herrn hinausgehen
würden. Viel Schwachheit, unbeherrschte Sünde, Achtlosigkeit des
Geistes, Jähzorn und Sorglosigkeit gegenüber starken Versuchungen
hatten die Erfahrungen des Petrus bestimmt. Jesu ernstes Mahnwort
sollte ihn zur Selbstprüfung veranlassen. Petrus durfte sich nicht so
sehr auf sich selbst verlassen, sondern sollte gläubiger dem Heiland