Seite 773 - Das Leben Jesu (1973)

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In Josephs Grab
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Er ließ sich von ihm auch einen Bericht über die Geschehnisse auf
Golgatha geben, der Josephs Darstellung bestätigte.
Die Bitte Josephs wurde gewährt. Während sich Johannes noch
um das Begräbnis seines Meisters sorgte, kehrte Joseph mit der von
Pilatus getroffenen Anordnung zurück, den Leichnam Jesu vom
Kreuz zu nehmen. Nikodemus beschaffte darauf eine wertvolle,
hundert Pfund schwere Mischung von Myrrhe und Aloe zum Einbal-
samieren. Dem Angesehensten in ganz Jerusalem hätte zu seinem
Tode keine größere Ehre erwiesen werden können. Die Jünger waren
erstaunt, daß jene begüterten Obersten dem Begräbnis ihres Herrn
die gleiche Anteilnahme entgegenbrachten wie sie selbst.
Weder Joseph von Arimathia noch Nikodemus hatten sich öf-
fentlich zum Heiland bekannt, als er noch lebte. Sie wußten, ein
solcher Schritt würde sie vom Hohen Rat ausschließen; außerdem
hofften sie, ihn durch ihren Einfluß in den Beratungen schützen zu
können. Eine Zeitlang schienen sie auch Erfolg gehabt zu haben,
aber die verschlagenen Priester hatten bald die Schutzmaßnahmen
der beiden Ratsmitglieder vereitelt, als sie deren Bewunderung für
Christus erkannten. In ihrer Abwesenheit wurde Jesus verurteilt und
dem Kreuzestod übergeben. Jetzt, da Jesus gestorben war, verbar-
gen sie nicht länger ihre Zuneigung zu ihm. Während die Jünger
zu furchtsam waren, um sich öffentlich als seine Nachfolger zu be-
kennen, traten Joseph und Nikodemus mutig hervor, um ihnen zu
helfen. Die Hilfe dieser beiden wohlhabenden und hochgeachteten
Männer war in dieser Stunde äußerst wertvoll. Sie konnten für den
toten Meister tun, was den armen Jüngern unmöglich gewesen wäre.
Ihr Reichtum und Einfluß schützte die Jünger auch weitgehend vor
der Niedertracht der Priester und Obersten.
Vorsichtig und ehrerbietig nahmen sie Jesu Leichnam eigenhän-
dig vom Kreuz ab. Tränen des Mitleids schossen ihnen in die Augen,
als sie seinen geschlagenen und verwundeten Körper betrachteten.
Joseph besaß ein neues, in einen Felsen gehauenes Grab. Er hatte es
für sich selbst bestimmt; da es aber nahe bei Golgatha gelegen war,
bereitete er es nun für die Aufnahme des Leichnams Jesu vor. Dann
wurde Jesu Leib zusammen mit den Spezereien, die Nikodemus mit-
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gebracht hatte, sorgfältig in ein Leinentuch eingeschlagen und zum
Grabe getragen. Dort streckten die drei Jünger seine verkrümmten
Glieder und falteten die zerstochenen Hände auf seiner Brust. Die